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Schmerzenreich saß den ganzen Tag — und
die lange Winternaͤchte ohne Licht — bestaͤndig
neben ihr; der gute Knabe mochte nicht mehr
essen noch trinken. Er that ihr alles, was er
ihr an den Augen absehen konnte, pflegte ihr
mit der kindlichsten Liebe. Er nahm seine bei—
den Haͤndchen voll Moos, trocknete, so weit sei—
ne kleine Aermchen hinaufreichten, die nassen
Waͤnde der Hoͤhle ab, damit das Wasser nicht
auf seine kranke Mutter herabtroͤpfelte. Er sam—
melte an den Felsen, an den Baͤumen mehr
trockenes Moos, um ihr statt des feuchten La—
gers ein besseres zu bereiten. Bald holte er ihr
eine Kuͤrbisschale voll frisches Wasser von der
Quelle, und sagte: willst du nicht trinken, lieb—
ste Mutter: es ist dir ja so heiß, deine Lippen
sind ganz trocken. Bald brachte er ihr eine
Kuͤrbisschale voll lauer Milch, und sagte: trink
doch, liebste Mutter! sie ist recht gut, ich habe
sie eben gemolken. Dann fiel er ihr wieder
weinend um den Hals, und sagte schluchzend:
o Mutter, liebste Mutter! o, wenn ich nur statt
deiner krank seyn, oder fuͤr dich sterben koͤnnte.
—v0)
Eines Morgens hatte sie ein Paar Stunden
recht sanft und suͤß geschlummert. Sie erwach—
te um vieles heiterer und gestaͤrkter. Das klei—
ne hoͤlzerne Kreuz, das sie immer in der Hand
hielt, war ihr im Schlafe entfallen. Sie such—
te es. — Schmerzenreich, der sogleich merkte,
was sie wollte, gab es ihr wieder in die Hand.
Aber, liebe Mutter, fing er darauf an, was thust
du doch immer mit diesem Holze in der Hand!