83
zeit Mos auf ihr gewachsen war, daß sie fast dem Holze glich.
Zuletzt aber erkannten sie die Gestalt ihres Leibes und berichteten
htem Herrn da in einem hohlen Baum fitze ein Thier von mensch—
icher Gestalt, rühre sich nicht und gebe keinen Laut von sich. Der
Fuͤrsenseohn gieng hinzu und befahl sie herauszunehmen; sie ließ
zlles geschehen, rührte keine Stimme nicht. Als sie nun anfiengen
das Moos von ihr abzunehmen und sie zu reinigen, kam ihr weißes
Hesicht zum Vorschein und das Kreuz auf der Stirne, daß der Fürst
aͤher ihre große Schönheit erstaunte und sie in allen Sprachen die er
nur wußte, anredete, um zu hören wer sie wäre und wie sie dahin
zrathen. Allein auf alles blieb fie stumm als ein Fisch, und der
Jürst nahm sie mit sich heim, übergab sie den Kamerfrauen und be—
sahl sie zu waschen und zu kleiden, welches vollkommen nach seinem
Pillen geschah. War sie nun vorher schoͤn gewesen, so strahlte sie
in den reichen Kleidern wie der helle Tag, nur daß kein Wort aus
ihr zu bringen war. Nichtsdestoweniger setzte fie der Fürst über
disch an seine Seite und wurde von ihrer Miene und Sittsamkeit
zufs tiefste bewegt, und nach einigen Tagen begehrte er sie zu hei—
calhen, keine andere auf der Welt. Seine Mutter widersetzte sich
dieser Vermählung zwar heftig, indem sie äußerte man wisse ja doch
nicht recht ob sie Thier oder Mensch sei, sprechen thue sie nichts und
begehre nicht es zu lernen, und von einer solchen Ehe stände nichts
wie Sünde zu erwarten. Allein keine Einrede half, der König sprach
wie kann man zweifeln daß sie ein Mensch ist, die eine engelschoͤne
Hestalt hat und, deren edle Abkunft das Kreuz auf ihrer Stirne ver—
rith? Mithin wurde das Beilager in Schmuck und Freuden voll—⸗
ogen.
Als Gemahlin des Fürsten lebte sie sitssam und fleißig in ihrem
daͤmerlein, arbeitete an dem Geräthe fort, das ihre Brüder aus dem
hann erloösen sollte. Nach einem halben Jahr, als sie gerade
shwanger gieng, mußte der Fürst in den Krieg ziehen und befahl sei—
ner Mutter daß sie seine Gemahlin wohl hüten sollte. Aber der Mutter
war seine Abwesenheit gerade recht, und als die Stunde der Nieder—
kunft kam und sie einen bildschönen Knaben gebar mit einem güld—
nen Kreuz auf der Stirne, wie sie selber hatte, gab die Alte das
kind einem Diener mit dem Befehl es in den Wald zu tragen, zu
morden und ihr zum Zeichen die Zunge zu bringen. Dem Fürsten
schrieb sie einen Brief, worin stand seine Gemahlin die man selbst
2