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welches ihn auf dem Marsch in Ostpreußen be—
fiel, bewahrte ihn davor, den entsetzlichen Feldzug
gegen Rußland mitmachen zu müssen und das
traurigeSchicksal so manches braven Hessen zu theilen.
Von dieser immerhin interessanten Vergangen⸗
heit war Schlunker nichts mehr anzumerken, er
war ein engherziger Kleinigkeitskrämer und Ga—
maschenknöpfer geworden, und seine vielen Wun—
derlichkeiten boten uns oft Anlaß zum Lachen.
Auf meine übermüthige Anrede erfolgte daher
auch ein ziemlich indignirtes: „Das ist mir längst
bekannt, und ich traf bereits meine Vorbereitungen,
auch komme ich eben vom Schreiner Kriks“ —
„Ah,“ unterbrach ich ihn, „wohl Manöverkiste
bestellt?“ Wieder traf mich seitlich ein Blick
halb verächtlichen Mitleids. „Nein, ich besitze
längst eine vorschriftsmäßige Kiste und habe
solche ihrer Zeit so solid anfertigen lassen, daß
ich annehmen darf, sie hält aus, so lange ich
lebe; nein, was mich zum Schreiner führte, war,
diese längst bestellten Holzkeilchen, ich nehme ge—
wöhnlich drei Dutzend mit, abzuholen.“ Bei diesen
Worten holte der alte Premier aus seinen, wie
ich jetzt bemerkte, dick angeschwollenen Hosen—
taschen ein Hand voll kleiner, sauber geschnitzter
Holzkeilchen hervor und präsentirte sie mir.
Ich muß in dem Moment ein unsäglich
dummes Gesicht gemacht haben, denn ehe ich zu
der Frage: „Und was in aller Welt fangen Sie
damit an?“ kam, sagte er wohlwollend: „Ja,
ja, mein junger Freund, man lernt alle Tage
was Neues und ich habe meine Erfahrungen
nicht umsonst gemacht. Ein Marsch ohne Holz⸗
keilchen ist unmöglich. Denken Sie sich, Sie
kommen in ein Bauernquartier, zehn gegen eins,
der Tisch wackelt, der Schrank, das Bett sogar