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Freistatt) und wenn wir „kriegen“ (fangen)
spielten oder „verstecken“, dann tönte beständig
im echten Kasseler Dialekt der Ausruf eines der
Kinder: „Anschlag for mich!“ oder „Anschlag
for's Lottka!“
Wer sich versteckt hatte, rief „Zippi,“ und
Ehrensache war's, vor dem Suchenden die „Kunst“
zu erreichen und „Anschlag für mich“ zu rufen.
Wie eifrig zählte die kleine Lenka: „Ene,
demene, demicke, demo, Ave debave de bom-
bado,“ oder „Müllers Esel, Müllers Kuh“ und
wie ärgerlich konnte das Ding werden, wenn ich
sie, indem ich fortgesetzt meinen Platz wechselte,
beständig irr machte.
Ja, es waren schöne, frohe Tage, die uns
mehr als einmal vergessen ließen, daß wir Ge⸗
fangene waren.
Aber es kamen auch schwere Zeiten, nicht
nur für uns, sondern auch für unseren Major.
Die jüngsten bekamen die Masern, und Sascha
war fast aufgegeben. Im Spätherbst, ungefähr
ein Jahr nach Spinnerns Ankunft, wurde erst
Natalia, dann die sie treu und unermüdlich
pflegende Mutter von schwerem Nervenfieber er⸗
griffen. Still und lautlos verlief in diesem Jahr
das Weihnachtsfest, Paul und Wladimir kamen
nicht, und wir waren schon dankbar, die lieben
Damen außer Gefahr zu wissen. Verschiedene
der Gefangenen wurden im Januar entlassen,
darunter auch, was mich besonders schmerzte,
Dr. Eg, und seine Briefe waren mir eine karge
Entschaͤdigung für den täglichen Verkehr mit dem
geistvollen, hochgebildeten Mann. Im demselben
Monat starb auch mein in Kassel als Leutnant
bei der Garde des Korps stehender Bruder Karl,
ein ebenso guter, als kluger und ungewöhnlich