Full text: Leutnants-Erinnerungen eines alten Kurhessen

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Unglücklicher,“ rief er aus und schlug mich vor 
Vergnügen dabei wiederholt derb auf die Schulter, 
was ihm bei mir langem Kerl nur möglich war, 
weil er zwei Stufen höher als ich stand, „Sie 
Unglücklicher, warum mußte ich aber auch gerade 
nicht zu Hause sein? Da hat sich Mama mit 
ihrem französisch schwätzen mal wieder ein rechtes 
bene gethan. Bin ich zu Haus, muß sie näm— 
lich deutsch sprechen, so gut und so schlecht wie 
sie kann, denn“ setzte er ernst hinzu, „wir sind 
hier in Deutschland, nicht in Frankreich.“ 
Trotz dieser freundlichen Versicherung und 
der damit verbundenen Aussicht, daß ich so bald 
nicht wieder in die Lage kommen würde, fran⸗ 
zösisch sprechen zu müssen, war es mir bitter ernst 
mit meiner Absicht, das Studium dieser schönen 
Sprache, die, wie ich selbst gestehen mußte, so 
viel schöner und eleganter klang, als mein ge— 
liebtes Englisch, von neuem zu betreiben 
Bei der nächsten Gelegenheit bat ich Bruder 
Henry um Zusendung der nöthigen Bücher, und 
als diese angekommen, stürzte ich mich mit Feuer— 
eifer auf die Grammatik von Noëel et Chapsal 
und las mit zunehmendem Verständniß, wenn auch 
unter Zuhilfnahme eines Diktionärs, erst die 
rührende Geschichte von Paul et Virginie, dann 
Xavier de Maistres Voyage autour de ma chambre, 
Lafontaines Fabeln u. A. m. 
Sehr befördert wurden diese Studien durch 
die gutmüthige Art, mit der Olga und Kathinka 
meine schüchternen Versuche, Konversation zu 
machen, unterstützten. Oft genug mag ich noch 
tolles Zeug produzirt haben, denn wenn Natalia 
oder die sehr aufgeweckten Zwillinge mich hörten, 
wollten sie sich wälzen vor Lachen. 
„Dumme Blagen“, nannte ich sie dafür heimlich.
	        
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