« 152
—2
dafür, daß sie hervorragend schlecht tanzte. Auch
ihre Toiletten waren, neben denen der Schwester,
iußerst einfach, denn das Gissel war augenschein⸗
lich das Lieblingskind der Madame Eßler.
Aber damit nicht genug der Veränderungen
im Eßler'schen Haus. Von auswärts war ein
Vetter in's Regiment gekommen, und obgleich der
liebenswürdige und ernste junge Mann sich beiden
Cousinen mit vollkommener Unparteilichkeit wid⸗
mete, bevorzugte ihn Lisette so augenscheinlich,
daß Mr. Bingham sich veranlaßt sah, sich wenn
auch unauffällig, doch ganz entschieden zurück—
zuziehen.
Da er mir gegenüber nie ein Wort über seine
Neigung zu dem älteren Fräulein Eßler ver—
loren hatte, so hatte ich meinerseits mir auch nie
eine dahinzielende Andeutung erlaubt und kann
nicht sagen, ob sein Herz durch Lisettens Treu—
losigkeit ernstlich berührt wurde. Wenn er nun
in der Folge auch keiner der vielen und hübschen
Damen unseres Kreises näher trat, neige ich doch
zu der Annahme, daß ihm, der Lisettens innere
Hohlheit längst erkannt haben mußte, Leutnant
Eßlers offene Bevorzugung seitens seiner Cousine
einen willkommenen Vorwand bot, sich zurück—⸗
zuziehen.
So verfloß der Winter in althergebrachter
Weise. Dort hatte er Leid, da Freud' gebracht,
war aber im Ganzen ohne besonderes Ereigniß
vorübergegangen. Keine einzige Verlobung war
der Dank für so viel Opfer an Zeit, Geld und
Liebenswürdigkeit. Es war wirklich hart!
Mit großer Freude wurde daher allgemein
die Nachricht begrüßt, daß der Geheimrath
v. Ruberus, der schon in seine Villa übergesiedelt