Full text: Leutnants-Erinnerungen eines alten Kurhessen

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dafür, daß sie hervorragend schlecht tanzte. Auch 
ihre Toiletten waren, neben denen der Schwester, 
iußerst einfach, denn das Gissel war augenschein⸗ 
lich das Lieblingskind der Madame Eßler. 
Aber damit nicht genug der Veränderungen 
im Eßler'schen Haus. Von auswärts war ein 
Vetter in's Regiment gekommen, und obgleich der 
liebenswürdige und ernste junge Mann sich beiden 
Cousinen mit vollkommener Unparteilichkeit wid⸗ 
mete, bevorzugte ihn Lisette so augenscheinlich, 
daß Mr. Bingham sich veranlaßt sah, sich wenn 
auch unauffällig, doch ganz entschieden zurück— 
zuziehen. 
Da er mir gegenüber nie ein Wort über seine 
Neigung zu dem älteren Fräulein Eßler ver— 
loren hatte, so hatte ich meinerseits mir auch nie 
eine dahinzielende Andeutung erlaubt und kann 
nicht sagen, ob sein Herz durch Lisettens Treu— 
losigkeit ernstlich berührt wurde. Wenn er nun 
in der Folge auch keiner der vielen und hübschen 
Damen unseres Kreises näher trat, neige ich doch 
zu der Annahme, daß ihm, der Lisettens innere 
Hohlheit längst erkannt haben mußte, Leutnant 
Eßlers offene Bevorzugung seitens seiner Cousine 
einen willkommenen Vorwand bot, sich zurück—⸗ 
zuziehen. 
So verfloß der Winter in althergebrachter 
Weise. Dort hatte er Leid, da Freud' gebracht, 
war aber im Ganzen ohne besonderes Ereigniß 
vorübergegangen. Keine einzige Verlobung war 
der Dank für so viel Opfer an Zeit, Geld und 
Liebenswürdigkeit. Es war wirklich hart! 
Mit großer Freude wurde daher allgemein 
die Nachricht begrüßt, daß der Geheimrath 
v. Ruberus, der schon in seine Villa übergesiedelt
	        
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