Full text: Leutnants-Erinnerungen eines alten Kurhessen

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wünschte, als ich mein „Meisterstück“ machte 
und in voller Uniform, Tornister auf dem Rücken, 
hinüber ans Darmstädtische Ufer und zurück ge— 
schwommen war, auch im Tauchen und Unter⸗ 
demwasserbleiben mehr als alle Anderen geleistet 
hatte. Das war wieder ein Moment, der mir 
Bingham näher brachte, denn nun trafen wir 
uns oft im Wasser. 
Unvergeßlich ist mir ein schöner Sommer—⸗ 
abend geblieben. Wir hatten uns verspätet, und 
schon lagen die Schatten der Dämmerung auf 
der Erde, als wir unsern Heimweg antraten. 
Plötzlich flammte zu unserer Rechten am jenseitigen 
Ufer ein helles Feuer auf. 
„Johannisfeuer,“ rief ich jubelnd, „oh Mr. 
Bingham sehen Sie, wie schön!“ 
Ich mußte dem Erstaunten den uralten 
Brauch und seinen sich in sagenhafter Ferne ver⸗ 
lierenden Ursprung erklären. „Es ist wunderbar, 
wie sich durch alle Zeitenläufte solche Gebräuche 
erhalten,“ setzte ich hinzu, „der biblische Johannes 
liegt der hiesigen reformirten Bevölkerung fast so 
fern, wie Wodan, dem zu Ehren an den Sonnen⸗ 
wenden die Feuer in grauer Urzeit einst auf⸗ 
flammten, es ist das Element selbst, dem sie 
unbewußt huldigten, das göttliche Feuer, mit 
dessen Kraft es den Menschen gelang, die Schrecken 
der langen nordischen Winter, Kälte und Dunkel—⸗ 
heit, siegreich zu bekämpfen. 
Erst durch das Feuer ist es dem Volk möglich, 
auch im Winter zu leben, nicht blos zu vegetiren, 
wie ihre Voreltern, oder vielleicht gar in einen 
Winterschlaf verfallen zu müssen, wie die Bären! 
Sicher ist, gibt es eine Seelenwanderung, 
und hat meine Seele vor vielen tausend Jahren 
schon einmal einen menschlichen Körper bewohnt,
	        
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