180 Briefe des Freiherrn von Dalwigk 1794-1807.
eingetreten, die Nächte aber sind so kalt wie Decembernächte,
und heute haben wir einen so kalten Tag wie im Januar.
Leider kostet mir dieser Winter über 65 Thaler Holz. —
Endlich ist die Elbe nachdem sie 3 Monath mit 3 Fuß dickem
Eis belegt war aufgebrochen. Den 2ten sezte sich das Eis
in der alten Elbe in Bewegung; die Saale war schon früher
aufgegangen, daher das Wasser sehr schnell stieg, und die
ungeheuren Schollen mit enormer Force gegen die Eisbrecher
und Brücken trieb; den Nachmittag nahm eine große Scholle
ein Joch von der langen Brücke fort; auch die Zollbrücke
wurde sehr beschädigt; den Zten des Abends ging auch der
Strohm mit einem entsezlichen Geprassel auf, wodurch auch
die Strohm-Brücke sehr litt. Ich hatte die Wache am Brück—
thor und hörte die gantze Nacht auf den Dörfern leuten und
Nothschüsse thun. Den andren Morgen war alles Meilen
weit überschwemmt, und das Wasser dringt durch die Kanäle
in die Stadt. Bey Tangermündoe hat die Elbe schreckliche
Verwüstungen gemacht; die Dämme sind an 7 Orten durch—
brochen, und die gantze ungeheure Wasser-Masse welche sich
durch ein sogenanntes Eis-Schütz aufgehalten fand, ist rechts
herausgebrochen, hat einen gantz andren Lauf genommen,
strömt bey dem Dorfe Schönbausen vorbey und fällt in die
Havel. 13 Dörfer stehen unter Wasser und Sandau, wo der
Kammerrath Wahnschaaf wohnt ist von aller Welt abgeschnitten.
Heute Abend wird der Minister von Angern erwartet, und
mann ist sehr besorgt, diese unglücklichen Menschen mit Lebens—
mitteln zu versorgen. Auch die Oder hat entsezlich gewüthet;
die Schäden sollen sich auf mehrere Millionen belaufen.
Viele Tausend Wispel Aussaat sind zu Grunde gerichtet.
Gestern wurde der Geburtstag unserer Königin sehr solenn
gefeyert, die Trauer*) war suspendirt. Die Damen trauren
in Krepp mit Schnibben, eine Tracht welche sie bey uns in Gotha
Der Geburtstag war am 10. März; die Trauer galt dem Tode
der Wittwe Friedrich Wilhelms II., Königin Friederike Louise.