Briefe des Freiherrn von Dalwigk 1794 - 1807. 169
welche sie gebrauchten, auf die noch wenigere Doelicatesso
schließen. Der Prinzeß ihre Begleiter sind, da der Herr von
Rieger, ein sehr würdiger und gescheuter Mann, nicht da ist,
ihre Hofdame die Fräulein v. Schaumberg, die sich besser in
das Institut der Taubstummen paßte, als an einem Hofe zu
figurieren, und ein Kammerjunker v. Brietzke: eine lange
Latte, der über seine eigenen Beine fällt; er trinckt mannig—
mahl ein wenig über den Durst, und denn wird er gewöhnlich
grob; auch selbst gegen den Fürsten, der ihn denn auch noch vor
kurtzem in Gegenwart mehrerer Fremden von der Tafell jagte,
ihm selbst einige Streiche gab, und 3 Tage auf seiner Stube
einsperren lies. Sie können sich dencken, wie wenig die
Prinzes sich vor solchen Menschen, denen sie auf der Nase
spielt, genirt. Jetzt ist sie mit der Obristen v. Wedell und
dem Kammerherrn v. Griesheim ins Lauchstädter Bad*) ge—
reist; der Kammerherr aber war in Pyrmont gewesen, svon] wo
er vor einigen Tagen schon wieder zurückgekommen ist; ich
vermuthete Sie dorten theuerster Vater, und hatte. dem
Kammerherrn einige Aufträge an Sie gegeben. Er sagt mir,
daß es gantz gegen Erwarten nicht sehr animirt sey**) und
mit Schläfrigkeit die Gesellschaft, den Becher in der Hand die
Allee auf und ab schlenderte; vielleicht macht das ungewisse
Schicksaal*x) dieses Freuden-Ortes sie so tranrig. — Auch hier
ist es im allgemeinen jezt sehr still; die größere Hälfte des
gesellschaftlichen Theils ist in den Bädern und auf Reisen, um
sich fiür den Winter Gegenstände der Unterhaltung einzu—
sammlen; und die zurückgebliebenen findet man nur außerhalb
*) Lauchstädt ist ein kleines Bad mit eisenhaltiger Quelle in der
Nähe von Halle.
**) Pyrmont war zu jener Zeit das belebteste Bad Norddeutschlands
und hatte ein sehr vornehmes Publikum.
*54) 1805 trat Fürst Friedrich Pyrmont seinem Bruder Georg ab;
die Verhandlungen darüber spielten schon längere Zeit.