124 Briefe des Freiherrn von Dalwigk 1794 - 1807.
narchen entwickelte. Noch aber spielten Verhandlungen aller
Art, in welchen Frankreich Preußen dadurch in große Ver—
legenheit setzte, daß es ihm Hannover anbot, dessen Besitz—
nahme ihm Englands Feindschaft zugezogen haben würde. Ruß—
land, welches damals gerade die nordische Convention gegen
England unter Theilnahme Preußens ins Werk gesetzt hatte,
rieth ihm anzunehmen, schloß aber nach Pauls J. Ermordung
sofort Frieden mit England. Als nun beim Wiederausbruch
des Krieges gegen England im Mai 1803 Frankreich Hannover
wieder für sich verlangte, wurde dadurch Preußen Rußland
in die Arme getrieben. Da aber seit dem Reichsfrieden (von
Lüneville) die Demarkationslinie nicht mehr besetzt war, konnten
die Franzosen in Hannover einrücken, und trennten so Preußen
in 2 Theile.
So schwankte Preußen weiter hin und her zwischen
Frankreich, dem es seinen Gebietszuwachs hauptsächlich ver—
dankte, und von dem es mit weiteren Versprechungen gelockt
wurde, und Rußland, in dem es seinen natürlichen Halt sah.
Frankreichs zunehmende Macht und zahlreiche Übergriffe
machten zwar den König besorgt und reizten ihn, aber er
konnte sich nicht zum Widerstande entschließen, wozu Rußland
ihn zu drängen suchte. Schließlich verlangte Frankreich
sogar ein Bündnis mit ihm, stellte aber so ausschweifende
Forderungen, daß mann Anfang 1804 fast zum Kriege ent⸗
schlossen war. Kayser Alexander, durch die Erschießung des
Herzogs von Enghien und die vorhergegangene badische Ge—
bietsverletzung gerade aufs Äußerste gereizt, sagte seine Unter—
stützung zu, konnte aber den König nicht zum entscheidenden
Entschlusse bewegen. Vielmehr ließ der letztere sich wirklich
zu einem Bündnis mit Frankreich bestimmen, nach welchem
er den Truppen einer Continentalmacht den Durchmarsch
durch sein Gebiet nicht gestatten durfte; kurz er that alles, um
sich Napoleon gefällig zu erweisen, dem er sogar den hohen
Orden vom Schwarzen Adler verlieh.