Full text: Der Pyrmonter Kurgast (1914, Nr. 11)

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Der Pyrmonter Kurgast 
himmelhoher Bäume liegt. Hier in Schieder fängt das Wandern an, gleich 
hinein in einen mächtigen Wald, gleich bergan, denn bergig ist das ganze 
Land, und wer nicht steigen kann, soll draußen bleiben. Der Kuckuck ist 
auch schon da und lockt immer weiter, immer tiefer in die grüne Wildnis. 
Auf der Straße sind Waldarbeiter damit beschäftigt, Holzstämme aufzuladen. 
Ketten klirren, Hebel werden in Bewegung gesetzt, machtige Klötze mit scharfer 
weißer Schnittfläche ohne Makel werden aufgeladen und grün berockte Förster 
stehen mit dem Notizbuch daneben. Der Wanderer wird so heilsam daran 
erinnert, daß auch das Schönste in der Welt, deutscher Buchenwald, Nutz⸗ 
wert haben muß, nicht nur um der Schönheit willen seine hellen grünseidenen 
Blätter aus den Knospen wickeln und wie Fähnlein lustig flattern lassen 
darf. Gab es doch eine Zeit, da der Buchenwald bedroht war, weil man 
keine Verwendung für die Stämme hatte, und erst als es sich erwies, daß 
Buchenholz für Eisenbahnschwellen ebenso dienlich sei als Eichenholz, war 
der edle Waldbaum gerettet. In einem Buchenwalde schreiten die grau— 
schäftigen Stämme mit immer wie in ritterlichen Rüstungen kühn entgegen. 
Das Reckenhafte des Baumes, sein Trutz, seine schlanke Kraft haben es mir 
angetan. Man ist in guter Hut in einem Buchenwalde, und nach einer 
letzten Rast unter einem starken Schwestern⸗Stamme, der siebenteilig gen 
Himmel strebt, und sich in einem weiten Rund die Erde untertänig gemacht 
hat, so daß das junge Holz scheu zur Seite gewichen ist, trete ich hinaus 
auf das Hochmoor. 
Das ist abgeforstet, und Reihen junger Tannen sind wie tapfere Erd— 
arbeiter aufmarschiert, alle mit den hellgrünen Sprossenmäntelchen der Ver⸗ 
jüngung bedeckt. Man muß über Gräben springen, die überall das Moor 
durchkreuzen, um unter die hohen Tannen zu kommen, die es hier wie ernste 
Wächter umgeben. Aber dahinter streben die Buchen schon wieder gen 
Himmel und raschelnd, halb rutschend, halb laufend, geht es den mühsam 
erstiegenen Berg herauf. Die weißroten Zeichen, oft kaum leserlich an den 
Buchenstämmen, sind abhanden gekommen. Erst unten im Tale, wo der 
Blick frei wird, findet sich der leichtsinnig verlassene Weg wieder, und nun 
liegt das Ziel vor Augen, das mittelalterliche kleine Städtchen mit dem 
wiunkenden Kirchturm, und auf steilem Berge darüber der unförmige graue 
Kasten der Burg, die dem kleinen Nest einst den Namen gab. Schwalen⸗— 
berg heißt Schwalbenberg. 
Wäre ich in Italien, wie anders dieses Bild! Der Fels kühn und 
schroff, das alte Schloß groß in der Linie, die Stadt darunter ein Nest 
grausigen Schmutzes, nackter Armut. Im Herzen Deutschlands aber ist's ein 
sanfter Abhang voll grüner und weißer Blumen, ein viereckiges altes Haus, 
ohne jeden Reiz der Formen; aber im Tal ein blühendes Städtchen voll 
Anmut und Freude. Denn Schwalenberg feiert sein Schützenfest, Laub—
	        
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