Der Pyrmonter Kurgast
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aus getriebenem Kupfer gearbeitete Figur des farnesischen Herkules trägt.
Von der Höͤhe der Plattform genießt der Beschauer einen Rundblick über
Täler und Höhen, der ihm unvergeßlich bleiben wird. Der Erbauer der
ganzen Anlage war der Italiener Guernieri. Das unten liegende mächtige
Schloß, von herrlichen Parkanlagen umgeben, dient dem Sommeraufenthalt
der kaiserlichen Familie. Auch durch Napoleon III., der nach seiner Gefangen—
nahme hier weilte, ist es bekannt geworden. Seitabwärts im Park liegt
die Löwenburg, eine 1793 erbaute Ritterburg alten Stils.
In den Jahren 1871 -1877 entstand das Gebäude der Gemäldegalerie
nach dem Vorbilde der alten Pinakothek in München im Stil der römischen
Renaissance. Darin fand die hauptsächlich durch Wilhelm VIII. geschaffene
sehr bedeutende Gemäldesammlung (meist Niederländer) Unterkunft. Der
Unterstock des Gebäudes enthält eine Sammlung wertvoller Objekte mittel—
alterlicher und neuzeitlicher Kleinkunst, Fayencen, Porzellane, Prunkstücke usw.,
vereinigt mit einer Anzahl mittelalterlicher Plastiken vom Untergang der
Antike bis zur Renaissance. An dem 492 Ar großen Friedrichsplatz (an—⸗
gelegt von Friedrich II.), der durch das Auetor in geschickter Weise Stadt
und Auepark verbindet, entstand durch den Baumeister du Ry das Museum
Friedericianum, das die von Friedrich II. erworbenen, wertvollen autiken
Marmorwerke birgt. Der Oberstock beherbergt die Landesbibliothek mit zirka
223 000 Bänden und berühmter Manuskriptsammlung. (Hildebrandslied!)
Neben ihr besteht die Murhardsche Stadtbibliothek mit zirka 120000 Bänden
im Hanauischen Park. Beide Bibliotheken verfügen über einen Anschaffungs—
fonds, der sie befähigt, sich stets auf der Höhe der Wissenschaft zu halten.
Während die Stadtbibliothek vorzugsweise die Staatswissenschaften pflegt,
berücksichtigt die Landesbibliothek die Geschichte im weitesten Sinne. Das
ehemalige Kunsthaus des Landgrafen Karl enthält gegenwärtig das Natura—
lienmuseum; eine Sammlung merkwürdiger mathemathisch-physikalischer und
optischer Instrumente birgt der an das Museum stoßende Zwehrenturm.
Das Königliche Theater, gegenüber dem Friedrichsplatze, erfreut sich eines
ausgezeichneten Rufes, wie denn überhaupt die Kunst hier eine Pflegstätte
findet. (Königl. Akademie der bildenden Künste, Kunstgewerbeschule, Bau—
gewerkschule usw.). Ein Kunstverein mit stattlicher Mitgliederzahl veranstaltet
ein um das andere Jahr eine große Ausstellung; permanent ist eine solche
im Kunsthaus. Auch musikalische Lehranstalten sind mehrere hier.
Waren es bisher die Landesfürsten, denen die Stadt die besondere
Schönheit verdankt, so tritt diese selbst jetzt auch mit dem Prachtbau eines
41 Millionen kostenden Rathauses auf den Plan, welches in reichem Barock—⸗
stil auf dem vergrößerten Meßplatz errichtet wird. Die neuzeitliche Ent—
wicklung der jetzt gegen 140 000 Einwohner zählenden Stadt gravitiert
vornehmlich nach zwei Richtungen, einmal der Industrie, für welche besondere