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Der Pyrmonter Kurgast
gemacht. Unter letzteren ist Philipp der Großmütige am bekanntesten. Er
versah die zu großem Wohlstande gelangte Stadt mit neuen Befestigungen.
An sein Zeitalter erinnert eine Anzahl markanter Renaissancebauten, z. B.
der alte Marstall, der Renthof, das Elisabethenhospital und zahlreiche Bürger—
häuser der Altstadt. Einen großartigen Aufschwung nahm Cassel unter der
Regierung des Landgrafen Karl. Er nahm die vertriebenen französischen
Protestanten auf, legte die Oberneustadt mit breiten Straßen und schönen
Plätzen und in ihrer Nähe die nach ihm benannte Karlsaue an und begann
die heute als Wilhelmshöhe bekannte Anlage auf dem Habichtswalde. Nach
dem Siebenjährigen Kriege, in welchem die Stadt hart mitgenommen wurde,
wurden die Festungswerke abgetragen und Friedrich II. machte sich in hervor⸗
ragender Weise um die Stadt verdient. Von 1803-1813 herrschte hier
Jeröme, der König des neuen Königreichs Westfalen. Als dieser im Herbst
1813 Cassel verlassen mußte, zog der Kurfürst wieder in seine Residenz ein.
Die Revolutionszeiten 1830 und 18148 brachten der Stadt mancherlei Unruhen,
his mit der Einverleibung Kurhessens in den preußischen Staat 1866 andere
Verhältnisse eintraten und den Boden bereiteten für eine machtvolle und
gedeihliche Weiterentwicklung.
Die vom 16. bis ins 19. Jahrhundert reichende, Renaissance bis Empire
umfassende, außerordentlich reiche Entwicklungsperiode ist für Cassel be—
stimmend geworden und beeinflußt noch heute den öffentlichen Baugeschmack.
So weist es eine Anzahl außerordentlich prächtiger Anlagen und Bauten
auf. Unter der Regierung des schon oben erwähnten Landgrafen Karl wurde
die sich längs der Fulda am Fuße des Weinbergs hinziehende Aue in einen
Park verwandelt, wie ihn wenige Städte aufzuweisen haben. Die Pläne
entwarf der französische Gartenkünstler le Nöôtre nach Versailler Muster.
Gleich am Haupteingang unterhalb des alten Stadtschlosses ließ Karl die
Orangerie, einen glänzenden Sommerpalast in heiterem Barock, von Paul
du Ny erbauen und daneben das berühmte Marmorbad von Monnot. Letzteres
ist eine einheitliche Schöpfung seltener Art, eine Illustration von Ovids
Metamorphosen. Ein ganz besonderes Feld zur Verwirklichung seiner eigen—
artigen künstlerischen Ideen fand Karl im Osthange des Habichtswaldes.
Hier entstand die großartige, Natur und Kunst in wunderbarer Weise
vereinigende Schöpfung, die heute, unter dem Namen Wilhelmshöhe bekannt,
auf der Erde nicht ihresgleichen hat. In der durch die umgebenden Berg—
höhen gebildeten und geschützten Mulde steigt eine gewaltige Wassertreppe
auf, von Bassins, Grotten uud kleineren barocken Wasserspielen unterbrochen.
Sie wird von einem Riesenschloß aus Basalttuff gekrönt, zu dessen Platt⸗
form 843 Treppenstufen vom Fuße der Kaskaden hinaufführen. Drei acht⸗
seitige Kreuzgewölbe sind uͤbereinander gestellt und darauf erhebt sich eine
dreißig Meter hohe Pyramide, welche die mit Sockel zwoͤlf Meter hohe,