Full text: Der Pyrmonter Kurgast (1914, Nr. 11)

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Der Pyrmonter Kurgast 
gemacht. Unter letzteren ist Philipp der Großmütige am bekanntesten. Er 
versah die zu großem Wohlstande gelangte Stadt mit neuen Befestigungen. 
An sein Zeitalter erinnert eine Anzahl markanter Renaissancebauten, z. B. 
der alte Marstall, der Renthof, das Elisabethenhospital und zahlreiche Bürger— 
häuser der Altstadt. Einen großartigen Aufschwung nahm Cassel unter der 
Regierung des Landgrafen Karl. Er nahm die vertriebenen französischen 
Protestanten auf, legte die Oberneustadt mit breiten Straßen und schönen 
Plätzen und in ihrer Nähe die nach ihm benannte Karlsaue an und begann 
die heute als Wilhelmshöhe bekannte Anlage auf dem Habichtswalde. Nach 
dem Siebenjährigen Kriege, in welchem die Stadt hart mitgenommen wurde, 
wurden die Festungswerke abgetragen und Friedrich II. machte sich in hervor⸗ 
ragender Weise um die Stadt verdient. Von 1803-1813 herrschte hier 
Jeröme, der König des neuen Königreichs Westfalen. Als dieser im Herbst 
1813 Cassel verlassen mußte, zog der Kurfürst wieder in seine Residenz ein. 
Die Revolutionszeiten 1830 und 18148 brachten der Stadt mancherlei Unruhen, 
his mit der Einverleibung Kurhessens in den preußischen Staat 1866 andere 
Verhältnisse eintraten und den Boden bereiteten für eine machtvolle und 
gedeihliche Weiterentwicklung. 
Die vom 16. bis ins 19. Jahrhundert reichende, Renaissance bis Empire 
umfassende, außerordentlich reiche Entwicklungsperiode ist für Cassel be— 
stimmend geworden und beeinflußt noch heute den öffentlichen Baugeschmack. 
So weist es eine Anzahl außerordentlich prächtiger Anlagen und Bauten 
auf. Unter der Regierung des schon oben erwähnten Landgrafen Karl wurde 
die sich längs der Fulda am Fuße des Weinbergs hinziehende Aue in einen 
Park verwandelt, wie ihn wenige Städte aufzuweisen haben. Die Pläne 
entwarf der französische Gartenkünstler le Nöôtre nach Versailler Muster. 
Gleich am Haupteingang unterhalb des alten Stadtschlosses ließ Karl die 
Orangerie, einen glänzenden Sommerpalast in heiterem Barock, von Paul 
du Ny erbauen und daneben das berühmte Marmorbad von Monnot. Letzteres 
ist eine einheitliche Schöpfung seltener Art, eine Illustration von Ovids 
Metamorphosen. Ein ganz besonderes Feld zur Verwirklichung seiner eigen— 
artigen künstlerischen Ideen fand Karl im Osthange des Habichtswaldes. 
Hier entstand die großartige, Natur und Kunst in wunderbarer Weise 
vereinigende Schöpfung, die heute, unter dem Namen Wilhelmshöhe bekannt, 
auf der Erde nicht ihresgleichen hat. In der durch die umgebenden Berg— 
höhen gebildeten und geschützten Mulde steigt eine gewaltige Wassertreppe 
auf, von Bassins, Grotten uud kleineren barocken Wasserspielen unterbrochen. 
Sie wird von einem Riesenschloß aus Basalttuff gekrönt, zu dessen Platt⸗ 
form 843 Treppenstufen vom Fuße der Kaskaden hinaufführen. Drei acht⸗ 
seitige Kreuzgewölbe sind uͤbereinander gestellt und darauf erhebt sich eine 
dreißig Meter hohe Pyramide, welche die mit Sockel zwoͤlf Meter hohe,
	        
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