Full text: Nathan der Weise. (1854)

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WCSCempelherr. 
Mit Unterschied doch hoffentlich? 
Nathan. 
Ja wohl; 
An Farb', an Kleidung, an Gestalt verschieden. 
CDempelherr. 
Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. 
Nathan. 
Mit diesem Unterschied ist's nicht weit her. 
Der große Mann braucht überall viel Boden; 
Und mehrere, zu nah' gepflanzt, zerschlagen 
Sich nur die Aeste. Mittelgut, wie wir 
Find't sich hingegen überall in Menge. . 
Nur muß der Eine nicht den Andern mäkeln. 
Nur muß der Knorr den Knubben hübsch vertragen. 
Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen, 
Daß es allein der Erde nicht entschossen. 
CTempelherr. 
Sehr wohl gesagt! — Doch kennt Ihr auch das Volk 
Das diese Menschenmäkelei zuerst 
Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk 
Zuerst das auserwählte Volk sich nanntt 
Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte, 
Doch wegen seines Stolzes zu verachten, 
Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes, 
Den es auf Christ und Muselmann vererbte 
Nur sein Gott sey der rechte Gott! — Ihr stutzt, 
Daß ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede? 
Wann hat, und wo die fromme Raserei, 
Den bessern Gott zu haben, diesen bessern 
Der ganzen Welt als besten aufzudringen,
	        
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