Full text: Nathan der Weise. (1854)

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Des Ringes, den er denn auch einem jeden 
Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. 
Das ging nun so, so lang' es ging. — Allein 
Es kam zum Sterben, und der gute Vater 
Kommt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei 
Von seinen Soͤhnen, die sich auf sein Wort 
Verlassen, so zu kraͤnken. — Was zu thun? — 
Er sendet in geheim zu einem Künstler, 
Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, 
Zwei andere bestellt, und weder Kosten 
Noch Müuͤhe sparen heißt, sie jenem gleich, 
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt 
Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, 
Kann selbst der Vater seinen Musterring 
Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft 
Er seine Söhne, jeden insbesondre; 
Giebt jedem insbesondre seinen Segen, — 
Und seinen Ring, — und stirbt. — Du hoͤrst doch, Sultan? 
Saladin (der sich betroffen von ihm gewandt). 
Ich hoͤr', ich hoͤre! — Komm mit deinem Maͤhrchen 
Nur bald zu Ende. — Wird's? 
Nathan. 
Ich bin zu Ende. 
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. 
Kaum war der Vater todt, so kommt ein jeder 
Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst 
Des Hauses seyn. Man untersucht, man zankt, 
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht 
Erweislich; 
(Nach einer Pause, in welcher er des Sultand Antwort erwarttet.
	        
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