Full text: Nathan der Weise. (1854)

109 
Nathan. 
Vor grauen Jahren lebt' ein Mann im Osten, 
Der einen Ring von unschätzbarem Werth 
Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein 
Opal, der hundert schoͤne Farben spielte, 
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott 
Und Menschen angenehm zu machen, wer 
In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, 
Daß ihn der Mann im Osten darum nie 
Vom Finger ließ, und die Verfügung traf, 
Auf ewig ihn bei seinem Hause zu 
Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring 
Von seinen Soͤhnen dem Geliebtesten; 
Und setzte fest, daß dieser wiederum 
Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, 
Der ihm der Liebste sey; und stets der Liebste, 
Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein 
Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. — 
Versteh mich, Sultan. 
Saladin. 
Ich versteh' dich. Weiter! 
UNathan. 
So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, 
Auf einen Vater endlich von drei Soͤhnen, 
Die alle drei ihm gleich gehorsam waren, 
Die alle drei er folglich gleich zu lieben 
Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit 
Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald 
Der dritte, — so wie jeder sich mit ihm 
Allein befand, und sein ergießend Herz 
Die andern zwei nicht theilten, — würdiger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.