Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

seine Ansprüche. Der Kurfürst von Bayern, der seit dem Ryswicker 
Frieden die Statthalterschaft der Spanischen Niederlande führte, war 
längst für Frankreich gewonnen, namentlich da Oesterreich jede Zu⸗ 
wendung eines Theiles der spanischen Erbschaft an Bayern ver— 
weigerte. König Ludwig hatte mit Kurfürst Max Emanuel sogar 
einen Geheimvertrag abgeschlossen, wonach im Kriegsfalle alse 
Festungen in den Spanischen Niederlanden durch französische Truppen 
besetzt werden sollten. 
In den übrigen deutschen Staaten erleichterte das unkluge Ver⸗ 
halten des Wiener Hofes und namentlich auch der Einfluß der 
Jesuiten, der das alte Mißtrauen bei den protestantischen Ständen 
immer wieder aufleben ließ, ganz ausnehmend die Intriguen von 
französischer Seite. Die meisten Reichsstände hätten sich am liebsten 
für neutral erklärt, nur sehr wenige befanden sich mit ihren Syin— 
pathien auf österreichischer Seite. Endlich war Deutschland seit dem 
Dreißigjährigen Kriege und den anderen Kriegen des 17. Jahr— 
hunderts derartig verarmt, daß sehr viele Staaten nichts mehr und 
nichts weniger von ihren Truppenkörpern beibehalten konnten als 
die Stämme und einige Wachttruppen. Für einen großen Krieg 
war nirgends mehr Geld vorhanden, es galt daher einzig nur, sich 
darüber zu entscheiden, woher man solches Geld erhalten könne und 
wolle. Gerade in dieser Beziehung war neben Frankreich natürlich 
wieder England-Holland derjenige Staat, der leistungsfähig sein 
mußte, und es war mindestens unweise von Oesterreich, sich 
diesen Staaten gegenüber nicht entgegenkommender zu zeigen. Jetzt 
trat zwar England-Holland infolge der weiteren Ereignisse mit 
auf die Seite Oesterreichs, aber immer nur zögernd und seine 
eigenen Interessen betonend. Das Verhältniß der beiden nun in 
erster Linie engagirten Staaten zu einander wurde auch nicht dadurch 
besser, daß die österreichischen Kassen leer, diejenigen der Holländer und 
Engländer überreich gefüllt waren. Nur Prinz Eugen von Savoyen 
verstand es, das oft unerträgliche Abhängigkeitsverhältniß günstiger 
zu gestalten. 
Die Folge von dergleichen Zuständen war in Bezug auf die 
Reichsstände natürlich die, daß sie keinen Mann mehr, als sie ver— 
pflichtet waren, zu der Reichsarmee stellten. Es kämpften ihre Truppen 
vielmehr zum größten Theil in der holländischen oder englischen Armee. 
Auch das hessen-casselsche Fürstenhaus, obwohl es sich mit 
all seinen Kräften dem Kaiser zur Verfügung stellte, und obwohl
	        
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