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praktischer Winke für die Ausbildung und Erziehung des Rekruten
zum tüchtigen Soldaten, wie für die Vorführung der Truppe durch die
Offiziere.
Am 31. Mai wurde Oberstabsarzt Dr. Keitel zum Infanterie—
Regiment Nr. 92 versetzt und Oberstabsarzt Dr. Müller, bisher
Bataillonsarzt im Infanterie-Regiment v. Lützow, vordem Gesandt—
schaftsarzt in Teheran, zum Regimentsarzt ernannt.
Zum Kommandeur des Regiments wurde der bisherige Chef
des Generalstabes V. Armeekorps, Oberst v. Dassel, ernannt. Nach
einer glänzenden militärischen Laufbahn hatte er diese Stellung noch
vor vollendetem 45. Lebensjahre erreicht. Doppelt tragisch erscheint
daher das frühzeitige Ziel, das seinem so arbeitsreichen Leben nach
Gottes Fügung gesetzt werden sollte.
Wenige Tage nach seinem Eintreffen wurden im Juni die
Bataillone zum Regiments-Exerziren auf dem großen Sande bei
Mainz zusammengezogen, wo das Regiment zum ersten Male im
neuen Korpsverbande durch General v. Lindequist besichtigt wurde.
Zu einer von Seiner Majestät dem Kaiser für den 21. August
anberaumten Truppenschau bei Mainz erschien auch Ihre Majestät
die Kaiserin Friedrich. So war es dem Oberst v. Dassel noch
vergönnt, das Regiment dem Allerhöchsten Kriegsherrn, wie dem
erlauchten Chef vorzuführen. Acht Tage darauf, am 28. August,
unmittelbar vor dem Ausmarsch zum Manöver, nachdem er mit
eiserner Willenskraft gegen die tödliche Krankheit angekämpft,
mußte er sich dem Schicksal beugen und mit blutendem Herzen das
Regiment unter seinem Stellvertreter, Oberstleutnant Frhrn.
v. Hügel, zum Manöver ausrücken sehen. Unter wechselndem Hoffen
und Bangen hatte er dann ein Vierteljahr noch Unsägliches zu
leiden, bis ihn am 2. Januar 1900 der Tod von seinen Leiden
erlöste. Bis zum letzten Augenblick waren seine Gedanken noch mit
dem Königlichen Dienst und dem ihm von Seiner Majestät anver—
trauten Regiment beschäftigt, dem er noch zwei Tage vor seinem
Tode herzliche Glückwünsche übersandte. Ihre Majestät die Kaiserin
Friedrich, welche während der ganzen Leidenszeit den wärmsten
Antheil an seinem Befinden genommen und sich im September nur
durch Abrathen der Aerzte davon abhalten ließ, den Kranken
in der Klinik in Wiesbaden mit ihrem persönlichen Besuche zu ehren,
hatte ihm damals, sowie noch am Tage vor seinem Tode, durch
Zusendung von Blumen eine innige Freude verursacht.