Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

Morosini zur Abfahrt, aber nur in dem Sinne des Rückzuges und 
der Preisgabe der mit so vielem Elend befreiten Attiker, die ver— 
gebens um Zurücklassung einer Besatzung flehten. Am 9. April 
berließen die „Befreier“ die attische Küste und fuhren zurück nach 
der Insel Kalauria (Poros), nicht ohne noch ein furchtbares Blut— 
gericht an jener Besatzung von Mistra abgehalten zu haben, die im 
Vorjahre mit Mühe einem solchen Schicksale entgangen war. 
Auf Kalauria, wo zwar für Ruhe und Absonderung der Kranken 
besser gesorgt werden konnte, wo aber die Luft selbst wieder un— 
gesund genug war, blieb die Armee drei Monate hindurch in immer— 
währendem Kampfe mit Fieber und Pest. Schon am 3. April 
hatte die Zahl der vom Regiment Prinz Carl Verstorbenen die Höhe 
von 590 Mann erreicht. 
Vielleicht wäre das Elend noch mehr gestiegen, da trat aber 
ein Ereigniß ein, welches entscheidend für alles Weitere wurde und 
wenigstens die Armee wieder in Bewegung brachte. Der Tod des 
bisherigen Dogen von Venedig hatte Morosini an seine Stelle ge— 
bracht, der neue Doge wollte nicht ruhen, ehe er nicht die Fahne 
von St. Markus auch in Konstantinopel aufgepflanzt hatte. Das 
schien leicht genug; das Türkenreich lag in den letzten Zuckungen 
und suchte vergeblich Frieden unter billigen Bedingungen. Die 
türkischen Truppen meuterten aller Orten, und als der Aufruhr auch 
Kreta (Candia) ergriff, riefen dort die Griechen die Venetianer 
flehend herbei. Morosini ergriff diese Nachricht begierig und erschien 
mit einem starken Geschwader vor der kretischen Küste. Hier fand 
er jedoch unverhofft entschlossenen Widerstand und ward zur Rückkehr 
gezwungen. Um so mehr kam er nun auf den alten Plan der Er— 
oberung von Negroponte zurück und ließ sich auch durch die Vor— 
stellungen Königsmarcks nicht mehr davon abhalten. Von Neuem 
wurden in ganz Europa Soldtruppen geworben, und wieder schlossen 
sich ihnen deutsche Hülfstruppen an. Als die Pest am Anfang Juli 
endlich wieder erlosch, waren die gehabten Verluste durch 42000 Mann 
neu eingetroffener Hülfstruppen ersetzt. 
Am 7. Juli erfolgte die Abfahrt der Truppen, ein buntes 
Gemisch von allerhand Abenteurern und Kreuzfahrern. Die Fahrt 
begann glücklich, um desto schlimmer zu enden. Ein schwerer Sturm 
brach aus und zerstreute die Flotte. Nur mit Mühe gelang es, sie 
wieder zu versammeln. Das Regiment Hessen war in großer 
Gefahr. Endlich sah man Negroponte (Chalcis oder Egripos) vor sich.
	        
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