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selbst seitlich verschoben und das ganze Schießstandsgelände ver—
breitert werden.
Nach beendigtem Dienste eilte der junge Offizier im Frühjahr
und Sommer meist noch zum Kurhaus, wo ihn die Schönheiten ver—
schiedenster Nationalität ebenso gern erwarteten, wie er sich ihnen
jetzt näherte, zu „Spiel und süßer Minne“. Selten suchte er statt
dessen den Stammtisch im „Nonnenhof“ auf, wo die älteren Offiziere
sich nach vollbrachtem Tagewerk zu einem Glase feurigen Nerobergers
und anderer Perlen des Rheingaues zu versammeln pflegten.
Im Winter nahm der gesellschaftliche Verkehr meistens ein noch
bunteres Gepräge an. Die verschiedenartigsten Kreise standen dem
Offizier offen, und in allen wurde er gern gesehen und mit Aus—
zeichnung behandelt. Es würde zu weit führen, die Namen aller
Fürstlichkeiten, hervorragenden Künstler und Gelehrten anzuführen,
mit denen die Offiziere hierbei zusammentrafen. Dabei wuchs die
Stadt Wiesbaden, trotzdem das Spiel 1873 aufgehoben wurde, dank
ihrer klimatischen Lage und berühmten Heilquellen immer weiter.
Heutzutage hat die Eröffnung des Neuen Königlichen Theaters die
Anziehungskraft Wiesbadens sogar noch erhöht. Da wird es immer
schwieriger, den geselligen Verkehr der Offiziere so zu gestalten, daß
keine Zersplitterung eintritt und doch die vielen Kreise besucht
werden, in denen ihr Erscheinen nothwendig oder wünschenswerth ist.
Sehr freundschaftlich gestaltete sich das Verhältniß zum Artillerie—
Regiment. In beiden Offizierkorps ist die Kameradschaft keine
Form geblieben. Die Räume des Offizierkasinos waren bis 1887
sogar völlig gemeinsam. Leider hatte dies schließlich den Nachtheil,
daß keiner von beiden Truppentheilen für die wohnliche Ausstattung
der Räume eintreten wollte und dieselben in einen Zustand geriethen,
der es angezeigt erscheinen ließ, jedem Truppentheile getrennte
Partien zuzuweisen. So kam es zu einer örtlichen Trennung
auch beim Mittagstisch, die, von Vielen bedauert, aber doch
die Folge hatte, daß jetzt in beiden Kasinos Alles behaglich und
wohnlich aussieht.
Auch mit der Unteroffizierschule Biebrich stand das J. Bataillon
zeitweise in ähnlichem engen Verkehr.
Wie groß die Anziehungskraft Wiesbadens ist, sieht Jeder auch
an der großen Anzahl der dort lebenden inaktiven Offiziere. Daß
unser Offizierkorps in seinem ganzen Auftreten und Charakter
gerade diesen erfahrenen Militärs gefiel, daß also die von ihm fest—