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dabei ein junger Kamerad Gefahr, sich der Schwerkraft der Gemein—
schaft entziehen zu wollen, so wurde er der Kameradschaft leicht
und sicher wiedergewonnen durch Versetzung in eine Garnison des
Regiments, die ihn auf den Verkehr im engeren Kameradenkreise
angewiesen sein ließ.
Im Allgemeinen begannen die Lieutenantsjahre in Wiesbaden,
wo der Offizier in einer der im Oberstock des Kasinos an der
Dotzheimer Straße gelegenen Offizierwohnungen sein Heim auf—
schlagen konnte. Die eine dieser Wohnungen führte den Beinamen
„das Handtuch“, die andere denjenigen der „Reitbahn“. Eine
dritte Wohnung war früher im Besitz der Artillerie. Enge Freund—
schaft pflegte die hier Hausenden zu verbinden. Gemeinsam exerzirte
man auf dem Kasernenhofe die Rekruten, gemeinsam ging man auf
die 4 km entfernten, idyllisch im Walde gelegenen Schießstände
und den angrenzenden „alten“ Exerzirplatz. Nur 150 m lang
und ebenso breit, hatte dieser Platz vor langen Jahren wohl der
Garnison genügt. Jetzt thut das auch nicht mehr der sogenannte
„große“ Exerzirplatz, der an der Schiersteiner Straße, 2 Kmvon
der Kaserne entfernt, liegt und. in der Diagonale etwa 750 m
mißt. Seit Jahren schweben daher schon Verhandlungen zum. Er—
werb eines bei Kloppenheim befindlichen Geländes, welches sodann auch
der Artillerie-Abtheilung und der Unteroffizierschule Biebrich als
Exerzirplatz dienen soll.
Alsdann wird voraussichtlich auch die an der Schwalbacher
Straße gelegene, erst im Jahre 1887/,88 einem umfangreichen
Umbau*) unterzogene Kaserne des J. Bataillons, sowie diejenige
der Artillerie, das Garnisonlazareth' und das Offizierkasino auf
den bisherigen „großen“ Platz hinauswandern, wo sich seit 1897 die
in anmuthigem Stil gebauten Kasernengebäude des II. Bataillons
bereits befinden.
Auch die Schießstände Wiesbadens sind durch die bei der Ver—
besserung der Bewaffnung immer zunehmende Gefährdung ihrer
Umgebung verschiedenen Umbauten unterworfen gewesen. Ursprüng—
lich waren zwei davon im Walde gelegen, dann wurde einer
der Waldstände aufgegeben, und man begnügte sich mit im Ganzen drei,
bis nach dem Hinzutreten des JII. Bataillons 1897 wieder ein
vierter Stand angelegt wurde. Dafür mußten freilich die Stände
*) Derselbe umfaßte auch die Errichtung von Handwerksstätten und neuen
Kammern für die in erheblich größerer Zahl aufzustellenden Kriegsformationen
des Regiments.