Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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Kaiser selbst, im Herbst auf viele Wochen die Kronprinzliche Familie 
in einer oder zweien seiner Garnisonen empfangen durften. Groß 
wurde hierdurch die Zahl der Unteroffiziere und Mannschaften, 
denen die Ehre zu Theil geworden war, als Ordonnanzen oder 
Posten die Mitglieder der Königlichen Familie in nächster Nähe 
zu sehen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Eine Fülle von un— 
schätzbaren Erinnerungen nahm dann jeder vom Regiment Entlassene 
in seine Heimath mit. Im Offizierkorps aber vertiefte sich immer 
mehr die Ueberzeugung, daß es durch immer wieder gesteigerte An— 
forderungen in dienstlicher Beziehung und große Aufmerksamkeit in 
der Ueberwachung und Pflege des kameradschaftlichen und ritterlichen 
Geistes, wie er dem Regiment bisher eigen gewesen war, dieser 
Bevorzugungen werth bleiben müsse. 
Die richtige Mitte zu finden zwischen gänzlichem Zurückziehen 
dom Verkehr mit Familien, die sich lediglich zu ihrem Vergnügen 
in Wiesbaden oder Homburg aufhielten, und dem Aufgehen in 
diesem oft sehr leichtsinnigen und genußsüchtigen Treiben war jetzt 
nach dem rauhen Kriegsleben vielleicht noch schwerer wie früher. 
Es war ein Glück, daß namentlich die älteren von den Offizieren, 
welche den Krieg mitgemacht hatten, in ihrem Charakter erst recht 
fest und sicher geworden waren, so daß sie für die Erhaltung einer 
richtigen Auffassung der Standespflichten, für einen angemessenen 
Verkehr ganz von selbst und immer wieder sorgten. 
Wesentlich wurden sie und die Kommandeure in ihrer Fürsorge 
dadurch unterstützt, daß die Zusammensetzung des Offizierkorps 
auch fernerhin eine der ursprünglichen gleichartige blieb. Auch die 
örtliche Trennung des Offizierkorps in drei, von 1887 bis 1890 sogar 
zeitweise in vier Garnisonen war demgegenüber kein Hinderniß, ja sie 
festigte nur die Kameradschaftlichkeit. Man lernte bei den Ver— 
setzungen aus der einen in die andere Garnison, welchen der 
Lieutenant durchschnittlich alle drei Jahre unterworfen war, erst recht 
die Vorzüge echter Freundschaft und Anhänglichkeit kennen. Wer 
eines augenfälligen Beweises hierfür bedurfte, brauchte nur Zeuge 
der gegenseitigen Begrüßung zu sein, wenn das Regiment zu gemein— 
samer Uebung oder das Offizierkorps aus festlicher Veranlassung 
in einer seiner Garnisonen vereinigt wurde. Die Verschiedenheit 
der Garnisonen gereichte dem Offizierkorps auch sonst zur An— 
regung; man sah und hörte viel, ja der junge Offizier trat mehr 
in den Vordergrund, als in größeren Garnisonverhältnissen. Lief
	        
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