5335
zu entlassenden Reservisten ihr abgenutztes Feldzugsgewand geputzt,
um dem prüfenden Auge des greisen Soldatenkönigs zu genügen.
Das Ersatz-Bataillon, aus dem alle Feldzugstheilnehmer in das
J. Bataillon eingereiht waren, stand in zweiter Linie.
Nachdem Seine Majestät die Front abgeschritten und jedem
Einzelnen noch einmal in das Auge geblickt hatte, sprach er dem
Regimentskommandeur seine Anerkennung und seinen Dank aus
für das von dem Regiment im Feldzuge Geleistete, besonders für
seine gute Konduite bei Weißenburg und Wörth.
Seitdem hatte das J. Bataillon fast jedes Jahr, und auch das
III. Bataillon öfters die Auszeichnung, bei Anwesenheit des Kaisers
und Königs in der Wilhelmstraße zur Parade zu erscheinen, eine
Ehre, die dem Regiment den Beinamen „Sommergarde“ eintrug.
Kaiser Wilhelm erfuhr von diesem Beinamen und stellte einst dem
russischen Militär-Bevollmächtigten Graf Kutusow den Kommandeur
des 111. Bataillons in Homburg mit dem Hinzufügen vor: „Ein
Kommandeur Meiner Sommergarde!“
Der Einzug des II. und III. Bataillons in Hanau und Hom—
durg v. d. H. fiel auf den 11. Juli. Wenn die dortige Einwohnerschaft
auch den Heimkehrenden noch fremd gegenüberstand, war doch der
Empfang nicht minder warm. Es fanden begeisterte Huldigungen
statt. Offiziere wie Mannschaften wurden festlich bewirthet, und die
Bürger der Stadt wetteiferten in der Bethätigung ihrer Dankbarkeit
zgegen die siegreichen Truppen.
Wie die Bevölkerung unsere Bataillone in dieser ersten Zeit
aach dem Kriege aufgenommen hatte, so blieb es aber auch gottlob
päterhin. Noch heute ist es für Hanau, der uns jetzt verloren
gegangenen Garnison, eine Art Ereigniß, wenn einer von jenen
„Einzüglern“ die Stadt besucht.
Reserven-Entlassung und Demobilmachung füllten die nächsten
Wochen und Monde aus. Als Beispiel für die hierbei zu bewäl—
tigende Arbeit diene die Thatsache, daß allein der Austausch der
Waffen noch bis zum nächsten Frühjahr dauerte, da sich Gewehre
der verschiedensten Truppentheile in den Händen unserer Leute
hefunden hatten, während wieder aus allen Theilen des Reiches ver—
loren gegangene Gewehre gefallener oder verwundeter Leute eintrafen.
In der Garnison 1871.
Vom 4. bis 7. August weilte Seine Majestät der Kaiser noch—
mals in Wiesbaden, während welcher Zeit Premierlieutenant Graf
Haslingen als Ordonnanzoffizier kommandirt war.