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gehabt, als gerade in dieser Nacht. Da mit einem Male, es war
genau 12 Uhr Mitternacht, hörte wie auf Kommando das Geschütz⸗
feuer auf beiden Seiten auf, und verstummt war das beständige
Sausen der Granaten; nur das Feuer des Schlosses St. Cloud
erhellte noch die Umgegend auf weithin.
Sehr allmählich nur verbreitete sich bei den einzelnen Theilen der
Vorposten die Kunde von der befohlenen Einstellung der Feindselig—
keiten. Dann wurde auch diesen das Feuer untersagt, und der
anbrechende Tag führte bald ein ganz eigenartiges Bild vor Augen.
Zuerst ließen sich einzelne Franzosen auf den Brustwehren ihrer
Laufgräben sehen und winkten mit Mützen und weißen Tüchern.
Dann zeigten sich immer mehr von ihnen, und als auch die deutschen
Truppen die Winke erwiderten, verließen sie zutraulich unter Zurück—
lassung ihrer Gewehre ihre Stellungen und kamen dann in hellen
Haufen bis an den Rand der beide Theile trennenden Eisenbahn.
Auf einer dieselbe schneidenden Ueberführung entwickelte sich dann
sehr bald ein lebhafter Austausch von gegenseitigen Begrüßungen,
wobei sich wieder die Gutmüthigkeit der Deutschen auffallend zu er—
kennen gab. Sie reichten Alles, was sie an Lebensmitteln, an
Cigarren, Tabak u. s. f. in ihren Brotbeuteln hatten, ihren bisherigen
Gegnern hinüber, als sie von ihnen hörten, wie traurig es mit ihrer
Ernährung stand. Die Franzosen, die sich mit vielem Wortschwall
darüber beklagten, erwiderten diese Gutmüthigkeit, indem sie Roth—
wein und Cognac brachten, wovon sie, wie sie sagten, noch manchen
Vorrath hatten. Das konnte auch wahr sein, denn allabendlich
nach 7 Uhr hatten sie gesungen und gejohlt, als ob sie nichts zu
entbehren hätten. Nur mit Mühe waren beide Theile zu bewegen,
zunächst wieder diesen Verkehr unter „Kameraden“ zu beenden. Es
mußte schließlich förmlich der Befehl dazu erfolgen und zwar haupt⸗
sächlich, weil von einer Waffenruhe noch nichts bekannt geworden
war. Als diese wirklich eintrat, war allerdings der gegenseitige
Verkehr kaum noch in festeren Schranken zu halten. Merkwürdiger—
weise trug der französische Truppentheil, der hier gegenübergestanden
hatte, auch die Nummer 80. Es war das 80. Mobilgarden-Bataillon.
Paris hatte kapitulirt weniger wegen der deutscherseits erhofften
Eindrücke, die es von der Beschießung erhalten hatte, als wegen
der schlimmen Nachrichten über die Vorgänge in den Provinzen.
Zwar hatten sich Theile der früheren Loire-Armee, verstärkt durch
Korps zweiter Linie, unter General Chancy auch nach den Schlägen
Geschichte des Füs. Regts. von Gersdorff (Hess.) Nr. 80. 2