Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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verwundeten, denn die anderen hatten sich weiter geschleppt aus dem 
Bereich dieses Grauens. Es waren meist Franzosen, die hier lagen, 
aber jeder französische Arzt fehlte, überhaupt jede Hülfe. Alles, was 
noch geschehen konnte, war, den armen Verwundeten Wasser zu 
besorgen und hier und da einen Todten von den Sterbenden fort— 
zubringen. Erst am Morgen, als die Feldlazarethe eintrafen und 
ihre schwere Arbeit begannen, ward es besser. Das Dorf wurde 
dann unter Aufsicht der Unteroffiziere und Mannschaften durch die 
Bauern gereinigt und die Gebäude nach Verwundeten ordnungs— 
mäßig durchsucht. 
Wie eine Stimme von oben verbreitete sich während dieser 
traurigen Scenen das Allen zunächst beinahe unfaßbare Gerücht von 
der Gefangengebung Napoleons III. und seiner ganzen Armee. 
Dann ertönte von sämmtlichen Musikkorps der Choral: „Nun danket 
Alle Gott“, und mit wahrer Andacht standen und gingen die Tausende 
und Abertausende, die aus Nord- und Süddeutschland hierher ge— 
zogen waren, um ihr Leben für die große Sache des Vaterlandes 
preiszugeben, und horchten den ergreifenden einfachen Klängen. 
Am Nachmittage dieses 2. September aber kam der König mit 
dem Kronprinzen in die Biwaks geritten, ein unvergeßlicher Anblick 
für Jeden, der ihn erlebte. Schon von weit her ein brausendes, 
ununterbrochenes, stürmisches Hurrah, und bald umringten die her— 
beiströmenden Soldaten ihren König, bemühten sich in rührender 
Weise, irgend etwas von seiner Gestalt zu berühren oder ihre Lippen 
auf die Zipfel seines Mantels, seiner Schärpe zu drücken. Ihm 
aber, dem greisen Heldenkönig, rannen die Thränen vor Rührung 
von den Wangen herab und oft nur vergeblich bemühte er sich, ihnen 
zu danken. So blieb er minutenlang, umringt von seinen Soldaten, 
bis das nachreitende Gefolge herankam und ihm den Weg wieder 
frei machte. 
Auch dem Offizierkorps des Regiments sprach der König seinen 
Dank für die „gute Konduite“ des Regiments bei Wörth und 
Weißenburg aus und beklagte gleichzeitig die hohe Einbuße, die es 
dabei erlitten habe. Wahrlich, ein größeres Lob konnte nicht ge— 
spendet, ein schönerer Tag nicht als dieser erlebt werden. 
Brausende Hurrahs begleiteten den geliebten König, bis der 
Zug entschwand. Und am nächsten Tage das Gegenbild: Der ge— 
fangene Kaiser Napoleon in der Vorüberfahrt dicht an dem Biwak 
des Regiments vorbei, um nach Deutschland eskortirt zu werden.
	        
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