479 —
verwundeten, denn die anderen hatten sich weiter geschleppt aus dem
Bereich dieses Grauens. Es waren meist Franzosen, die hier lagen,
aber jeder französische Arzt fehlte, überhaupt jede Hülfe. Alles, was
noch geschehen konnte, war, den armen Verwundeten Wasser zu
besorgen und hier und da einen Todten von den Sterbenden fort—
zubringen. Erst am Morgen, als die Feldlazarethe eintrafen und
ihre schwere Arbeit begannen, ward es besser. Das Dorf wurde
dann unter Aufsicht der Unteroffiziere und Mannschaften durch die
Bauern gereinigt und die Gebäude nach Verwundeten ordnungs—
mäßig durchsucht.
Wie eine Stimme von oben verbreitete sich während dieser
traurigen Scenen das Allen zunächst beinahe unfaßbare Gerücht von
der Gefangengebung Napoleons III. und seiner ganzen Armee.
Dann ertönte von sämmtlichen Musikkorps der Choral: „Nun danket
Alle Gott“, und mit wahrer Andacht standen und gingen die Tausende
und Abertausende, die aus Nord- und Süddeutschland hierher ge—
zogen waren, um ihr Leben für die große Sache des Vaterlandes
preiszugeben, und horchten den ergreifenden einfachen Klängen.
Am Nachmittage dieses 2. September aber kam der König mit
dem Kronprinzen in die Biwaks geritten, ein unvergeßlicher Anblick
für Jeden, der ihn erlebte. Schon von weit her ein brausendes,
ununterbrochenes, stürmisches Hurrah, und bald umringten die her—
beiströmenden Soldaten ihren König, bemühten sich in rührender
Weise, irgend etwas von seiner Gestalt zu berühren oder ihre Lippen
auf die Zipfel seines Mantels, seiner Schärpe zu drücken. Ihm
aber, dem greisen Heldenkönig, rannen die Thränen vor Rührung
von den Wangen herab und oft nur vergeblich bemühte er sich, ihnen
zu danken. So blieb er minutenlang, umringt von seinen Soldaten,
bis das nachreitende Gefolge herankam und ihm den Weg wieder
frei machte.
Auch dem Offizierkorps des Regiments sprach der König seinen
Dank für die „gute Konduite“ des Regiments bei Wörth und
Weißenburg aus und beklagte gleichzeitig die hohe Einbuße, die es
dabei erlitten habe. Wahrlich, ein größeres Lob konnte nicht ge—
spendet, ein schönerer Tag nicht als dieser erlebt werden.
Brausende Hurrahs begleiteten den geliebten König, bis der
Zug entschwand. Und am nächsten Tage das Gegenbild: Der ge—
fangene Kaiser Napoleon in der Vorüberfahrt dicht an dem Biwak
des Regiments vorbei, um nach Deutschland eskortirt zu werden.