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dorff durch Vorführen weniger Kompagnien (10. und 11./35) in den
Kampf einzugreifen. Dieselben hatten kaum die Kuppe 711 östlich
Stresetitz erreicht, als der feindliche Kavallerieangriff von Südosten
hereinbrach. Die Tapferkeit und das Ungestüm der österreichischen
Kürassiere vom Regiment Prinz Carl von Preußen und Graf Wrangel
waren nun vergeblich. Es gelang den Oesterreichern kaum, sich von der
wenigen preußischen Kavallerie freizumachen, dann aber brach das
bernichtende Schnellfeuer jener Kompagnien über sie herein und ließ
sie in Atome zerschellen. Wie hätte freilich General v. Gersdorff
gewünscht, hier noch Größeres zu leisten.
Nun war der große Krieg gekommen, zu dessen Aufgaben General
o. Gersdorff sich sein Lebenlang vorbereitet und selbst erzogen hatte.
Jetzt lächelte ihm das Kriegsglück wieder. Er hatte, wie wir erzählt
haben, bei Wörth geradezu entscheidend eingegriffen. Unter seiner
Führung war Morsbronn, der Albrechtshäuser Hof, der Niederwald,
Elsaßhausen und Fröschweiler erstürmt worden. Die Hauptent—
scheidung hatte er mit seiner Division gebracht und hauptsächlich durch
sein eigenes Drängen nach vorwärts, durch seinen schnellen Marsch
„ungerufen nach Kanonendonner“. Er hatte nun den Befehl über
das Korps erhalten. Das 14. Husaren-Regiment hatte nach Wörth
ihm damit seine Verehrung auszudrücken gesucht, daß es das von
ihm erbeutete schöne Pferd des Marschalls Mac Mahon mit prunk—
voller, in rothem Sammt mit Gold verzierter Ausrüstung dem
General zum Geschenk übersandte. Eine echt soldatische, kriegerische
Erscheinung, gebietend und doch wieder vertrauenerweckend, war General
o. Gersdorff in seiner ganzen Division, die er seit vier Jahren be—
fehligte, allgemein hoch verehrt und dabei geliebt. General v. Gers—
dorff fand auch diese Liebe, obgleich er in allen Sachen des Dienstes
als streng und scharf bekannt war. Daß er sie verdiente, zeigt u. A.
die Thatsache, daß ihm bei seinem Scheiden aus der Stellung
als Kommandeur des 27. kombinirten Infanterie-Regiments
ein Degen verehrt worden war, der nur einen Schmuck zeigte,
die Inschrift: „Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern findst
du nit.“
Was für eine verantwortliche Stellung General v. Gersdorff
jetzt übernommen hatte, erkannte er selbst vollkommen, er wußte aber
auch, daß er sie mit Gottes Hülfe ausfüllen werde. Er hoffte noch
auf einen großen Sieg, bei dem er das Korps befehligen werde.
Er hoffte sehr, seine Stellung nicht sobald verlieren zu müssen.