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Wir werden sehen, daß die hier geschilderten Auffassungen des
Marschalls, eines der kriegserfahrensten Führer der kaiserlichen
Armee, ihre vollste Bestätigung erhalten sollten. Es gelang ihm,
sowohl die Umfassung seines linken Flügels, trotz der Nähe des sie
begünstigenden Vorgeländes, zurückzuweisen, als auch den Angreifer
zum übermäßig heftigen Anfassen der Front, ja zum Umfassen des
rechten Flügels, anstatt der von ihm geplanten Umflügelung zu
verleiten. In zwei Dingen nur hatte er sich verrechnet, in der
Zähigkeit des Angreifers, der trotz unverhältnißmäßig großen Kraft—
verbrauches doch noch den Widerstand des französischen rechten
Flügels, ja endlich auch den der Front brach, und dann in der
Schnelligkeit, mit der auch die zum Theil ziemlich weit entfernten
Kräfte zweiter Linie beim Angreifer nach dem Schlachtfelde heran—
rückten. Bei den Deutschen kam es durch das Eintreffen dieser
Kräfte schließlich doch noch zu der geplanten Umfassung des linken
und Umflügelung des rechten französischen Flügels, während Mac
Mahon selbst jene Verstärkungen, die er vom 5. Korps (Failly)
aus Bitsch erwartete, erst so spät erhielt, daß er sie nur noch zur
Rettung aus dem Schiffbruche verwenden konnte. Auf deutscher
Seite strebte, wie wir sehen werden, jeder einzelne Führer, jeder
Soldat, heranzukommen, dahin, wo der Kanonendonner die Tapferen
rief; bei den Franzosen hier, wie bei Weißenburg und bei späteren
Entscheidungen erklang der Donner vergeblich. Wohl hatte das
Oberkommando der Dritten Armee selbst keine Ahnung davon,
daß der heutige Morgen bereits die vorbereitete Entscheidung herbei—
führen sollte, und selbst, als der Gefechtslärm zuerst, um 8 Uhr
vormittags, in Sulz vernehmbar wurde, blieb derselbe doch immer
nur auf Minuten beschränkt. Der Kronprinz begab sich, aufmerksam
geworden, wohl sofort auf das Zimmer des Generals v. Blumen—
thal und wollte zu Pferde steigen lassen. General v. Blumenthal
konnte jedoch aus den gemachten Beobachtungen nichts Zwingendes
entnehmen und bat im Hinblick auf die nöthige Kontinuität des
Befehlsweges, wenigstens noch einige Meldungen abzuwarten. Es
wurde daher vorerst nur angeordnet, daß Alles bereit gemacht werden
sollte. Das V. Korps und II. bayerische Korps erhielten Weisung,
wenn irgend möglich, unnöthige Gefechte zu vermeiden, ja abzu—
brechen, um wenigstens Zeit für das Herankommen der übrigen
Armeetheile zu lassen. Erst als das Geschützfeuer nach 9 Uhr vor—
mittags immer lauter, heftiger und anhaltender wurde, setzte sich