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9 Tagen war das Regiment marschbereit, denn Alles war bis ins
Kleinste vorbedacht gewesen und Alles stand bereit zur Verpflegung,
Ausrüstung und Rangirung der vielen Neuankömmlinge.“) Schnell
und doch ruhig ging das Uhrwerk seinen Gang.
Hier kam noch dazwischen, daß am 21. Juli der Befehl an die
Infanterie-Regimenter der 21. Division erging, sich bei einer
etwaigen feindlichen Invasion bei Mainz zusammenzuziehen und zur
Verfügung des dortigen Gouvernements zu stellen. Dies gebot eine
gewisse Marschbereitschaft schon innerhalb der Mobilmachung ähnlich
wie bei den Truppen des VIII. Armeekorps. Und doch waren bei
unserem Regiment recht viel Mannschaften, welche außer einer kurzen
Uebungszeit von 6 Wochen bisher vom. preußischen Dienste wenig
gesehen hatten und nun wieder erst in dieser Zeit möglichst
darin fortzubilden waren. Neben der sorgfältigen Verpassung der
Anzüge oder Ausrüstung und den zahlreichen Appells, die für die
wartenden Theile durch Einzelübung im Exerziren, Zielen oder
durch Unterricht ausgenutzt wurden, wechselten Uebungen in ge—
schlossenen Abtheilungen, Tirailliren, Marsch-, Gefechts- und Schieß—
übungen miteinander ab, während Unterricht in den Korporalschaften
und Zügen den Unteroffizieren und Offizieren die so nöthige Ge—
legenheit gab, die Leute näher kennen zu lernen, deren verantwort
liche Führer vor dem Feinde sie sein sollten.
Die Theilnahme der Bevölkerung, die Rastlosigkeit, mit der
sie bis zur letzten Minute für das Wohl der ins Feld Ziehenden
zu sorgen bereit war, sie half über die Mühen dieser bewegten Zeit
hinaus. Welche Begeisterung in jenen Tagen im Volke herrschte,
ist der heutigen jungen Welt freilich wenig mehr verständlich. Mochte
auch manche Thräne der Wehmuth bei Vater und Mutter, bei Weib
und Kind, Schwester und Braut fallen, mit freudigem Herzen und
Selbstüberwindung, um sich nicht gegenseitig weich zu machen, riß
man sich los voneinander, und der junge Bursch, der wackere Haus—
vater, sie eilten fort mit dem Entschluß, sich für das Vaterland zu
opfern, wenn es sein müsse. In allen drei Garnisonen des Regi—
ments aber benutzten Bürger und Rath der Stadt den Augenblick
der Abfahrt oder des Ausmarsches der Truppen dazu, durch eine
allgemeine Kundgebung der Trauer und des Abschiedsschmerzes
x) Die ersten Reserven trafen am fünften Tage, dem 20. Juli, die letzten
am neunten Tage, dem 24. Juli, ein, ihre Einkleiduna war in der Nacht zum
25. Juli beendet.