Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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überlas es anscheinend flüchtig, gab dann das Papier dem Adjutanten 
zurück und sagte kurz: „Ach was! Kriegserklärung, ist mir Jacke 
wie Hose.“ Und als ob die Kriegserklärung nur etwas Alltägliches 
sei, so ruhig kommandirte er weiter: „Karree marsch!“, wobei er 
nach seiner Gewohnheit zur größeren Exaktheit der Bewegung ab 
und zu nach dem Tritte: „L, 2, 3, 40 zählte. Nach einiger Zeit 
erscholl sein Kommando zum Halten und Gewehr abnehmen. „Ich 
will Euch den Schwindel gleich mittheilen, Leute“, begann er nun, 
„Frankreich hat uns den Krieg erklärt. Das Kriegerklären ist 
leicht, aber das Hauen wird ihm schwerer werden. Wir wollen den 
Franzosen zeigen, was eine deutsche Faust ist. Seine Majestät der 
König, unser Allergnädigster Kriegsherr, lebe hoch!“ Und die Helme 
in die Luft schwenkend, antwortete die Truppe mit einem weithin 
hallenden „Hurrah!“, welches das Zeugniß ablegte, daß hier kein 
Spaß gemacht werden würde. Mit dem Exerziren war es für 
diesen Tag vorbei, im Eilschritt ging es auch hier zurück in die 
Stadt, deren Bevölkerung ebenso begeistert in den Ruf einstimmte, 
daß Deutschland den ihm angethanenen Schimpf mit Blut ab— 
waschen werde. 
Die französischen Gewaltredner hatten sich überall getäuscht. 
Die deutsche Einigkeit, welche ihnen noch unfertig erschien, war mit 
dem Tage von Ems zur Thatsache geworden. Und wenn auch unser 
Regiment, welches auf seine neue Einheit erst 4 Jahre zurückblickte, 
jetzt nicht einmal nur Thüringer oder hessische Gardisten, sondern 
auch Nassauer, kurhessische Jäger und viele der eisenfesten Gestalten 
der rothen Erde in seinen Reihen sah, so war doch kein Unterschied 
mehr zwischen all diesen kriegstüchtigen Männern und Jünglingen, 
wenn es auf Begeisterung, Muth und Vaterlandsliebe ankam. 
Wehe dem Gegner, den diese Truppe anzugreifen hatte. Geführt 
von so vielen kriegserprobten Offizieren, mußte ihr jede Aufgabe 
möglich, jede Strapaze zu ertragen, jedes Hinderniß zu überwältigen 
sein. Hier galt es ja auch einen der nationalsten Kämpfe wie zur 
Zeit des großen Befreiungskrieges gegen Frankreich. Jeder zählte 
die Tage, bis es an den Feind ging. 
Und, wie König Wilhelm selbst in einer damaligen Ansprache 
sagte, was nach menschlicher Voraussicht hatte vorbereitet werden 
können, alles das war geschehen. Wie ein Uhrwerk spielte sich das 
Getriebe der Mobilmachung bei den Truppen ab. Es waren zwar 
schwere, arbeitsreiche Tage für den Einzelnen, aber bereits nach
	        
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