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überlas es anscheinend flüchtig, gab dann das Papier dem Adjutanten
zurück und sagte kurz: „Ach was! Kriegserklärung, ist mir Jacke
wie Hose.“ Und als ob die Kriegserklärung nur etwas Alltägliches
sei, so ruhig kommandirte er weiter: „Karree marsch!“, wobei er
nach seiner Gewohnheit zur größeren Exaktheit der Bewegung ab
und zu nach dem Tritte: „L, 2, 3, 40 zählte. Nach einiger Zeit
erscholl sein Kommando zum Halten und Gewehr abnehmen. „Ich
will Euch den Schwindel gleich mittheilen, Leute“, begann er nun,
„Frankreich hat uns den Krieg erklärt. Das Kriegerklären ist
leicht, aber das Hauen wird ihm schwerer werden. Wir wollen den
Franzosen zeigen, was eine deutsche Faust ist. Seine Majestät der
König, unser Allergnädigster Kriegsherr, lebe hoch!“ Und die Helme
in die Luft schwenkend, antwortete die Truppe mit einem weithin
hallenden „Hurrah!“, welches das Zeugniß ablegte, daß hier kein
Spaß gemacht werden würde. Mit dem Exerziren war es für
diesen Tag vorbei, im Eilschritt ging es auch hier zurück in die
Stadt, deren Bevölkerung ebenso begeistert in den Ruf einstimmte,
daß Deutschland den ihm angethanenen Schimpf mit Blut ab—
waschen werde.
Die französischen Gewaltredner hatten sich überall getäuscht.
Die deutsche Einigkeit, welche ihnen noch unfertig erschien, war mit
dem Tage von Ems zur Thatsache geworden. Und wenn auch unser
Regiment, welches auf seine neue Einheit erst 4 Jahre zurückblickte,
jetzt nicht einmal nur Thüringer oder hessische Gardisten, sondern
auch Nassauer, kurhessische Jäger und viele der eisenfesten Gestalten
der rothen Erde in seinen Reihen sah, so war doch kein Unterschied
mehr zwischen all diesen kriegstüchtigen Männern und Jünglingen,
wenn es auf Begeisterung, Muth und Vaterlandsliebe ankam.
Wehe dem Gegner, den diese Truppe anzugreifen hatte. Geführt
von so vielen kriegserprobten Offizieren, mußte ihr jede Aufgabe
möglich, jede Strapaze zu ertragen, jedes Hinderniß zu überwältigen
sein. Hier galt es ja auch einen der nationalsten Kämpfe wie zur
Zeit des großen Befreiungskrieges gegen Frankreich. Jeder zählte
die Tage, bis es an den Feind ging.
Und, wie König Wilhelm selbst in einer damaligen Ansprache
sagte, was nach menschlicher Voraussicht hatte vorbereitet werden
können, alles das war geschehen. Wie ein Uhrwerk spielte sich das
Getriebe der Mobilmachung bei den Truppen ab. Es waren zwar
schwere, arbeitsreiche Tage für den Einzelnen, aber bereits nach