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ging denn auch die Friedensarbeit der Truppe ihren festen und
sicheren Gang weiter. Und wie bei diesem Regiment, so überall,
namentlich in allen neuen Provinzen Preußens und in Süddeutsch—
land, wo Keiner hinter dem norddeutschen Waffengenossen in Bezug
auf Kriegsfertigkeit zurückbleiben wollte. Die Zeiten schienen aber
nur so friedlich, denn seit der Einmischung Napoleons in die
Friedensabmachungen zwischen Preußen und seinen Gegnern im
Jahre 1866 und seit jenem Versuche vom Jahre 1867, Preußen
zum Kriege zu reizen, hatte sich wohl ein Jeder an den Gedanken
gewöhnt, daß ohne eine Abrechnung mit Frankreich für die deutschen
Staaten die vollen Segnungen des Friedens nicht zu genießen seien.
Der 16. Juli, der Tag des Mobilmachungsbefehls für die
preußische Armee, trug nach dem Gesagten so recht das Gepräge
eines plötzlich ausbrechenden Sturmes. Auch bei unserem Regiment
war dies der Fall.
In Wiesbaden spielte sich am Vortage schon folgende Scene ab:
Es war zur Zeit des Nachmittagskonzertes am Kurhaus, als
neue Depeschen anlangten. Ein Herr, der in Wiesbaden wohnte,
erbat von dem Dirigenten der gerade konzertirenden Kapelle des
Regiments, Kapellmeister Münch, im Namen des Publikums das
Spielen der Nationalhymne und der „Wacht am Rhein“. Es war
kein Zweifel, daß das Publikum in dem Weltbade Wiesbaden An—
gehörige aller möglichen Nationen, wohl auch noch Franzosen ent—
hielt, jedenfalls aber befand sich das Direktorium der Spielbank in
französischen Händen, und so zögerte dieses mit Berufung auf den
internationalen Charakter des Kurhauses lange, dem Wunsche jenes
Herrn nachzugeben. Zum Glück waren mehrere Offiziere des Re—
giments mit unter dem Publikum, der Regimentsadjutant, Premier—
lieutenant Henke, eilte zu dem Kommandeur des Regiments und er—
bat sich von ihm die Erlaubniß, daß die Musik die erbetenen patrio—
tischen Stücke spielen dürfe. Kaum war die Kunde davon zurück—
gelangt und die Musik begann, so durchbrauste wie ein Sturmwind
der einfallende begeisterte Gesang des gesammten Publikums den
Kurgarten, während die Franzosen und Franzosenfreunde sich eilig
entfernten. Das Offizierkorps hatte die deutsche Frage vor ganz
Europa auf seine Weise gelöst und den französischen Uebermuth zu—
rückgewiesen.
Das J. Bataillon erhielt den Mobilmachungs-Befehl, der am
Morgen des 16. Juli um 8 Uhr vormittags beim Regiments—