Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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ging denn auch die Friedensarbeit der Truppe ihren festen und 
sicheren Gang weiter. Und wie bei diesem Regiment, so überall, 
namentlich in allen neuen Provinzen Preußens und in Süddeutsch— 
land, wo Keiner hinter dem norddeutschen Waffengenossen in Bezug 
auf Kriegsfertigkeit zurückbleiben wollte. Die Zeiten schienen aber 
nur so friedlich, denn seit der Einmischung Napoleons in die 
Friedensabmachungen zwischen Preußen und seinen Gegnern im 
Jahre 1866 und seit jenem Versuche vom Jahre 1867, Preußen 
zum Kriege zu reizen, hatte sich wohl ein Jeder an den Gedanken 
gewöhnt, daß ohne eine Abrechnung mit Frankreich für die deutschen 
Staaten die vollen Segnungen des Friedens nicht zu genießen seien. 
Der 16. Juli, der Tag des Mobilmachungsbefehls für die 
preußische Armee, trug nach dem Gesagten so recht das Gepräge 
eines plötzlich ausbrechenden Sturmes. Auch bei unserem Regiment 
war dies der Fall. 
In Wiesbaden spielte sich am Vortage schon folgende Scene ab: 
Es war zur Zeit des Nachmittagskonzertes am Kurhaus, als 
neue Depeschen anlangten. Ein Herr, der in Wiesbaden wohnte, 
erbat von dem Dirigenten der gerade konzertirenden Kapelle des 
Regiments, Kapellmeister Münch, im Namen des Publikums das 
Spielen der Nationalhymne und der „Wacht am Rhein“. Es war 
kein Zweifel, daß das Publikum in dem Weltbade Wiesbaden An— 
gehörige aller möglichen Nationen, wohl auch noch Franzosen ent— 
hielt, jedenfalls aber befand sich das Direktorium der Spielbank in 
französischen Händen, und so zögerte dieses mit Berufung auf den 
internationalen Charakter des Kurhauses lange, dem Wunsche jenes 
Herrn nachzugeben. Zum Glück waren mehrere Offiziere des Re— 
giments mit unter dem Publikum, der Regimentsadjutant, Premier— 
lieutenant Henke, eilte zu dem Kommandeur des Regiments und er— 
bat sich von ihm die Erlaubniß, daß die Musik die erbetenen patrio— 
tischen Stücke spielen dürfe. Kaum war die Kunde davon zurück— 
gelangt und die Musik begann, so durchbrauste wie ein Sturmwind 
der einfallende begeisterte Gesang des gesammten Publikums den 
Kurgarten, während die Franzosen und Franzosenfreunde sich eilig 
entfernten. Das Offizierkorps hatte die deutsche Frage vor ganz 
Europa auf seine Weise gelöst und den französischen Uebermuth zu— 
rückgewiesen. 
Das J. Bataillon erhielt den Mobilmachungs-Befehl, der am 
Morgen des 16. Juli um 8 Uhr vormittags beim Regiments—
	        
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