Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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Armee noch sehr lange Widerstand zu leisten vermochte. Neben 
diesem eigentlichen Reorganisationswerk gingen andere Maßregeln 
namentlich in Bezug auf neuzeitliche Taktik, auf gute Bewaffnung 
und Ausrüstung. Es ist bekannt, wie das Chassepotgewehr den 
desten deutschen Gewehren, so sehr sich diese zum Theil im Kriege 
1866 bewährt hatten und auch in der Hand unserer Leute sich noch 
immer die Achtung des Gegners erwarben, überlegen war, und 
ebenso, daß die Mitrailleuse wenigstens für gewisse Gefechtszwecke 
eine brauchbare moderne Waffe darstellte. Freilich blieb auch in 
diesen Beziehungen Vieles Stückwerk, und sehr verständlich war es, 
venn die französische Taktik sich schließlich mit der Defensive begnügte 
und nur den Nachstoß aus derselben empfahl. 
Auch in diplomatischer Beziehung versuchte sich Kaiser Napoleon 
bereits 1867, glücklicherweise etwas vorschnell. Die Luxemburger 
Frage und ihre Lösung brachte ihm nur die neue Ueberraschung, 
daß Preußen sich nicht vorzeitig engagirte. Er sah sich überlistet 
durch einen Mann, der ihm allerdings bereits Beweise gegeben 
hatte, daß er weiter sah als er selbst. Dieser Versuch war schon 
deshalb zu frühzeitig geschehen, weil Napoleon sich selbst noch nicht 
im Stande fühlte, Ernst zu machen. 
Graf Bismarck hatte mit Recht beim Abschluß des Friedens 
von 1866 den Gegnern Preußens so viel Entgegenkommen gezeigt 
wie möglich, und wäre es damals noch zum Kriege mit Frankreich 
zekommen, er hätte die deutsche Einheit selbst allen noch so großen 
politischen Vortheilen vorgezogen. Jetzt, nach dem Kriege, war er 
Willens, nicht eher den Waffengang mit dem jenseits der Vogesen 
lauernden Erbfeinde anzutreten, als bis die Einigkeit der deutschen 
Staaten unter sich hergestellt sei. Dann freilich sollte auch der 
ranzösische Fehdebrief aufgenommen werden, denn es wäre unsinnig 
gewesen, den Feind noch mehr zur Besinnung kommen, seine 
Rtüstungen beendet sein zu lassen. 
Die spanische Thronfolge wurde die Frage, die den Stein ins 
Rollen brachte. Wohl war König Wilhelm von Preußen auch 
während der Entwickelung derselben innerlich noch weit entfernt, die 
Waffenentscheidung mit Frankreich trotz dessen herausfordernder 
Sprache als das einzige Auskunftsmittel zu betrachten, aber als 
seine Nachgiebigkeit in Frankreich nur noch den Uebermuth der 
Kriegspartei und ihr Geschrei: „revanche pour Sadowa!“ ver— 
nehrte, entschied auch er sich nach dem berüchtigten Vorgange in
	        
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