392
Armee noch sehr lange Widerstand zu leisten vermochte. Neben
diesem eigentlichen Reorganisationswerk gingen andere Maßregeln
namentlich in Bezug auf neuzeitliche Taktik, auf gute Bewaffnung
und Ausrüstung. Es ist bekannt, wie das Chassepotgewehr den
desten deutschen Gewehren, so sehr sich diese zum Theil im Kriege
1866 bewährt hatten und auch in der Hand unserer Leute sich noch
immer die Achtung des Gegners erwarben, überlegen war, und
ebenso, daß die Mitrailleuse wenigstens für gewisse Gefechtszwecke
eine brauchbare moderne Waffe darstellte. Freilich blieb auch in
diesen Beziehungen Vieles Stückwerk, und sehr verständlich war es,
venn die französische Taktik sich schließlich mit der Defensive begnügte
und nur den Nachstoß aus derselben empfahl.
Auch in diplomatischer Beziehung versuchte sich Kaiser Napoleon
bereits 1867, glücklicherweise etwas vorschnell. Die Luxemburger
Frage und ihre Lösung brachte ihm nur die neue Ueberraschung,
daß Preußen sich nicht vorzeitig engagirte. Er sah sich überlistet
durch einen Mann, der ihm allerdings bereits Beweise gegeben
hatte, daß er weiter sah als er selbst. Dieser Versuch war schon
deshalb zu frühzeitig geschehen, weil Napoleon sich selbst noch nicht
im Stande fühlte, Ernst zu machen.
Graf Bismarck hatte mit Recht beim Abschluß des Friedens
von 1866 den Gegnern Preußens so viel Entgegenkommen gezeigt
wie möglich, und wäre es damals noch zum Kriege mit Frankreich
zekommen, er hätte die deutsche Einheit selbst allen noch so großen
politischen Vortheilen vorgezogen. Jetzt, nach dem Kriege, war er
Willens, nicht eher den Waffengang mit dem jenseits der Vogesen
lauernden Erbfeinde anzutreten, als bis die Einigkeit der deutschen
Staaten unter sich hergestellt sei. Dann freilich sollte auch der
ranzösische Fehdebrief aufgenommen werden, denn es wäre unsinnig
gewesen, den Feind noch mehr zur Besinnung kommen, seine
Rtüstungen beendet sein zu lassen.
Die spanische Thronfolge wurde die Frage, die den Stein ins
Rollen brachte. Wohl war König Wilhelm von Preußen auch
während der Entwickelung derselben innerlich noch weit entfernt, die
Waffenentscheidung mit Frankreich trotz dessen herausfordernder
Sprache als das einzige Auskunftsmittel zu betrachten, aber als
seine Nachgiebigkeit in Frankreich nur noch den Uebermuth der
Kriegspartei und ihr Geschrei: „revanche pour Sadowa!“ ver—
nehrte, entschied auch er sich nach dem berüchtigten Vorgange in