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Elftes Kapitel.
Der deuksch-französische Rrieg 1870171.
Mobilmachung, Aufmarsch und erste Heeresbewegungen.
Der Krieg 1866 hatte Frankreich aus seiner Ruhe, aus der
Ueberzeugtheit von seiner allgebietenden Stellung in Europa auf—⸗
geschreckt. Schon längst hatte Kaiser Napoleon III. Mißbehagen
über die Fortschritte der preußischen Politik empfunden, aber noch
war es ihm beim Friedensschluß zwischen Preußen und Oesterreich
gelungen, diese Fortschritte etwas aufzuhalten. Dennoch blieb es
für ihn klar, daß die neue Entwickelung der Dinge in Deutschland
sich nicht lange werde beschwören lassen, es sei denn, daß Frankreich
selbst darum einen Krieg beginne. Gelang es namentlich Preußen,
die süddeutschen Staaten wieder für sich zu gewinnen, so waren die
Chancen für einen Waffengang wenig zu Gunsten Frankreichs. So
wenig daher im Augenblick Frankreich zu solch großer Entscheidung
bereit war, so sehr nahe lag es doch wieder für seine Politik, die—
selbe rasch herbeizuführen.
Kaiser Napoleon begann, nicht ohne daß die preußische Diplo⸗
matie und Heeresleitung ihm auf Schritt und Tritt darin folgte,
seine Vorbereitungen zu dem geplanten Kriege. Marschall Niel,
einer der besten Generale des an sich vorzüglichen Heeres, wurde
bereits im Januar 1867 zum Kriegsminister*) ernannt und erhielt
die Aufgabe, die verhältnißmäßig kleine Armee für einen großen
Krieg zu reorganisiren, eine Aufgabe, die er trotz der Opposition
des gesetzgebenden Körpers in umfassendster Weise zu lösen suchte,
aber nicht mehr durchführen konnte. Er starb plötzlich am 14. August
1869. Ist es auch nach den Ergebnissen des Krieges 1870,71
nicht zu verkennen, daß sein Werk der darin zuerst als sogenannte
„Kaiserliche“ auftretenden Armee wenig nützte, so erhielten doch die
übrigen, vorher brach liegenden Streitkräfte Frankreichs eine so feste
Grundlage, daß das Land auch nach Auflösung dieser „Kaiserlichen“
xDer Kriegsminister war zugleich Chef des Generalstabes der Armee.