Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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Führer des Infanterie-Regiments Nr. 94 versetzt und Major 
v. Below sein Nachfolger wurde, wurden die Verhältnisse in 
Weilburg fast noch freundlichere, und der Feldzug 1870,71 sollte 
beweisen, daß dieses Band der gegenseitigen Anhänglichkeit kein 
iußeres geworden war, sondern festhielt auch in bewegter Zeit. 
In Diez endlich war das Verhältniß zu der Bevölkerung sehr 
schnell ein gutes, weil die Mannschaft zum Theil schon aus dieser 
Gegend stammte und das Offizierkorpo mit mehreren früher 
nassauischen Offizieren a. D., die dort lebten, in engeren Verkehr 
trat und dadurch auch sonst gern gesehen war. Der Gasthof 
„Holländischer Hof“, in welchem die unverheiratheten Offiziere 
ihren Mittagstisch nahmen, ward bald ein gesuchter Vereinigungs— 
punkt für Alle. 
Ebenso eigenartig wie diese gesellschaftlichen Verhältnisse des 
neuen Offizierkorps in seinen verschiedenen Garnisonen war auch 
das Dienstleben des Regiments. 
In Wiesbaden reichten die Kasernenräume nur gerade eben 
aus, um die Kompagnie des J. Bataillons unterzubringen, in Weil— 
burg war die Kaserne so klein und alt, daß schon deshalb alle dienst— 
lichen Arrangements auf Schwierigkeiten stießen. In Diez bekam 
eine Kompagnie (5.) noch die alte Kaserne aus nassauischer Zeit zum 
Bewohnen, für die anderen Kompagnien war eine neue Kaserne erst 
gebaut worden. Das Regimentsdienstzimmer in Wiesbaden wies 
an Inventar nichts auf als Stühle und Tische und einige Regale 
mit alten, längst vergessenen und vergilbten Akten aus nassauischer 
Zeit. Der Regimentsschreiber war ein Unteroffizier, dessen Hand— 
schrift von zwölf anderen als die am wenigsten schlechte befunden 
worden war. Dazu kam der frühere Regimentsschreiber des kur— 
hessischen Regiments, glücklicherweise ein recht kluger Kopf, aber 
Original durch und durch und in seinen persönlichen wie dienstlichen 
Eigenheiten einer weit abliegenden Vergangenheit angehörig. Nament— 
lich war es bei ihm sehr schwer, die althessischen Floskeln im 
Schreibwesen abzugewöhnen, und stets mußte der Adjutant ihn darin 
überwachen, wollte er nicht selbst eines „Rüffels“ sicher sein. Der 
Eifer und die Gewissenhaftigkeit dieses Unteroffiziers half freilich 
über Vieles hinaus, wenn es ihm auch immer wieder schwer ankam, 
sein „submissest, an vorhinnig hoher Stelle“ u. dergl. fortzulassen 
und die preußischen Stichworte anzuwenden. Aehnlich lag es auch 
bei den Bataillonen. In den Dienstzimmern derselben in Biebrich 
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