Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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öffentlichen Spieles mit seinen auf das Nichts gestellten Existenzen. 
Das Offizierkorps hatte sich demgegenüber zum Grundsatz gemacht 
in der Geselligkeit überhaupt nur als geschlossenes Ganzes aufzutreten 
und nicht nach hochtönenden Namen oder nach dem Reichthum die 
Auswahl zu treffen, sondern nach dem guten Rufe. Nur dadurch 
bewahrte es den Einzelnen vor Irrthümern in dieser Auswahl und 
erwarb sich zugleich eine gewisse Sonderstellung in der Gesellschaft, 
wurde gesucht oder nicht gesucht, beides aber mit der Anerkennung 
als der beste Theil der Gesellschaft überhaupt. Manche eigenartige 
Erinnerungen knüpfen sich an diese Zeit. So bemühte sich ein 
damals in der Gesellschaft sehr gefeierter Graf ..... lange, mit 
dem Offizierkorps Fühlung zu gewinnen. Es war vergeblich, und 
mit Recht, denn nach einigen Monaten entpuppte sich dieser „Graf“ 
als ein Barbiergeselle aus Odessa, der namhafte Wechselfälschungen 
auf seinem Konto stehen hatte. Kein Wunder war es, wenn nach 
solchen Vorkommnissen auch der leichtlebigste junge Offizier auf den 
Rath der älteren hörte und sich dieselbe Vorsicht in dem Verkehr 
nach außen zur Regel machte, wie sie es thaten. Ebenso verständlich 
war es auch, daß einst von höherer Seite das Wort der Anerkennung 
fiel: „Erhaltet Euch Euer Offizierkorps so, wie es jetzt ist.“ 
Auch in Weilburg, dem schönen malerisch gelegenen ehemalig 
nassauischen Städtchen, wurden die Verhältnisse für das dorthin 
versetzte III. Bataillon recht gute. Der Kommandeur, Oberstlieutenant 
v. Bessel, verstand nicht nur sehr schnell in dem neuen Kame— 
radenkreise, der sich in seiner Zusammensetzung als recht harmonisch 
erwies, sondern auch außerhalb desselben Aller Herzen für sich zu 
gewinnen. Den Mittagstisch hatten die unverheiratheten Offiziere 
in dem Gasthofe „Zur Traube“, dem ein wahres Original, Herr 
Kretschmar, mit zwei alten unverheiratheten Schwestern vorstand, 
und der eine gute Küche sowie anständige Bedienung aufwies. 
Daneben verkehrte man in dem sogenannten „Backstübchen“, einer 
kleinen Stube eines Brauers Rosenkranz, oder in dem Restaurant 
von Weber. Der Bezirkskommandeur, Oberstlieutenant Gruch, mit 
seinem Adjutanten schloß sich dem Offizierkorpo in engster 
Kameradschaftlichkeit an. In der Stadt bestand die Gesellschaft aus 
einer Reihe ebenso achtbarer wie gut situirter und patriotisch denkender 
Familien, mit denen es in ziemlich kurzer Zeit gelang, ein angenehmes 
Verhältniß herzustellen. Als Oberstlieutenant v. Bessel am 29. Juni 
1867 unter Stellung à la suite des Regiments nach Weimar als
	        
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