Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

352 
Offizieren des ehemaligen kurhessischen Leib-Garde-Regiments, welches 
das stärkste Kontingent zu dem neuen Truppentheil gestellt hatte, ein 
recht gezwungenes gewesen war. Die hessischen Offiziere hielten 
sich fast durchgehends außerdienstlich in einer Reserve, die nur 
Schritt für Schritt zu überwinden war. Erst die glückliche Ein— 
gebung Einzelner konnte das Eis dieser Zurückhaltung brechen. 
Die preußischen Offiziere des J. Bataillons (Wiesbaden) empfingen 
ihre früher kurhessischen Kameraden an dem Geburtstage ihres ehe— 
maligen Landesherrn am 20. August 1867 mit einer Bowle und 
baten, mit ihnen auf das Wohl dieses Fürsten anstoßen zu können. 
Der Kommandeur des III. Bataillons, Oberstlieutenant v. Bessel, 
versammelte an demselben Tage sämmtliche Offiziere im Parade— 
anzuge um sich und sprach sich namentlich lobend über das vorzüg— 
liche Verhalten der vormals hessischen Offiziere aus. Er habe gerade 
diesen Tag ausgewählt, um diese Anerkennung auszusprechen, weil 
derselbe in ihren Erinnerungen wohl stets eine Stätte haben werde. 
Es ist kein Wunder, wenn ein solcher echt kameradschaftlicher Ton 
dem guten Geist im Offizierkorps überall die Wege öffnete. 
Eigenartig waren zuerst die wirthschaftlichen und gesellschaftlichen 
Verhältnisse des Offizierkorps. Sie stachen namentlich in Wiesbaden 
und Biebrich gar sehr ab von dem Luxus und Treiben der Außen— 
welt. An ein, wie sonst üblich, mit gewisser Behaglichkeit aus— 
gestattetes Kasino war anfangs gar nicht zu denken. Die Räume der 
früheren nassauischen Kadettenschule mit werthvoller Bibliothek und 
physikalischen Instrumenten standen nicht gleich zur Verfügung, es 
oergingen noch Monate, ehe sie dem Regiment überwiesen wurden. 
Vorläufig fand das Offizierkorps bei der Wittwe Engel, einer be— 
tagten und sehr gutmüthigen Frau, die ein besuchtes Restaurant in 
Wiesbaden hielt, in einem Hinterzimmer ein bescheidenes, aber freund— 
liches Unterkommen und einen bescheidenen, aber anständigen Mittags- 
tisch. Als sonst nicht vorhandenes Dessert erschien nach Tisch meist 
Frau Engel selbst, um die Unterhaltung zu beleben; ja die erst zarten, 
dann deutlicher hervortretenden Andeutungen, daß ihr Erscheinen nicht 
durchaus nöthig sei, hätten beinahe zu einem Bruch der beiderseitigen 
Beziehungen geführt. Auch die spätere Uebersiedelung in die Räume 
des ehemalig nassauischen Kadettenhauses als dem nunmehrigen Kasino 
unseres J. Bataillons und der II. Abtheilung des damaligen 11. Ar— 
tillerie-Regiments hatte zuerst noch mit recht bescheidenen Einrichtungen 
znu rechnen. Mußten doch bei allen Liebesmahlen, zu denen Gäste
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.