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Geltung erhielt, aber dort keine solchen Nachtheile brachte, wie bei
den kurhessischen. Bei diesen war das Avancement seit vielen Jahren
sehr langsam gewesen, und der Krieg von 1866 hatte auch keine
Veränderung hervorgebracht. Da konnte vorläufig nur der gute Takt
des Einzelnen und der kameradschaftliche Sinn aushelfen. Im
Uebrigen geschah Alles, um später wenigstens in Bezug auf das
Avancement Ungleichheiten im Regiment zu verhüten. So wurden
bis zum Beginn des deutsch-französischen Krieges die in der Rang—
liste des neuen Regiments ihrem alten Patent zufolge vorangestellten
kurhessischen Offiziere derartig befördert, daß 4 Hauptleute zu Stabs—
offizieren, 6 Premierlieutenants zu Hauptleuten und Kompagniechefs
und 6 Sekondlieutenants zu Premierlieutenants ernannt waren.
Eine derartig schnelle Beförderung hätten die Betheiligten in ihrer
früheren Armee nicht haben können.*)
Zum Kommandeur des neuen Regiments war der bisherige
Kommandeur des Magdeburgischen Jäger-Bataillons Nr. 4, Oberst—
lieutenant v. Colomb, ernannt worden, ein sehr bald von allen
Offizieren des Regiments als wahrhaft vornehme und ritterliche
Natur, als umsichtiger und energischer, dabei aber ebenso gütiger
und wohlwollender Vorgesetzter angesehener Maun. Gerade er war
für diese Werdezeit des Regiments der geeignetste Führer, und manche
Erinnerung der alten Regimentskameraden bezieht sich auf seine
Person, auf seine Art, zu denken, zu handeln und zu erziehen. Zum
Regimentsadjutanten hatte der König in diesem Falle selbst den
bisher im 1. Garde-Regiment zu Fuß stehenden Premierlieutenant
o. Müller bestimmt und ihm bei seiner Abmeldung in Babelsberg
folgende Mahnung mit auf den Weg gegeben: „Ich habe Sie als
Regimentsadjutant in ein hervorragend zusammengesetztes Offizier—
korps versetzt. Sorgen Sie dafür, daß die Gesinnungen, unter
welchen Sie in Meinem 1. Garde-Regiment aufgewachsen sind, auch
dort volle Geltung finden.“ Wie schwer das sein mußte in Garnisonen,
welche wie Wiesbaden und Biebrich damals den raffinirtesten Luxus
der Welt aus erster oder wenigstens zweiter Hand boten, mit den
Leidenschaften der Menschen bald da bald dort spielten und so
manches Glück beim Einzelnen oder auch bei ganzen Familien zer—
*) 1869 wurde durch Kriegsministerial-Verfügung vom 22. März noch
angeordnet, daß den ehemalig hessischen Offizieren die Kriegsjahre 1848, 1849,
1850 ebenso angerechnet würden, als wenn dieselben in preußischen Diensten ge—
standen hätten.