Full text: Geschichte des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Hessisches) Nr. 80 und seines Stamm-Regiments des Kurhessischen Leibgarde-Regiments von 1632 bis 1900

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Die nunmehrige Friedenszeit in Deutschland giebt wenig Stoff 
mehr für die Belebung unserer Scene. Interessant für uns er— 
scheint es hauptsächlich nur, wahrzunehmen, wie eng sich Kurhessen 
in der Art und Weise der Ausbildung und Erziehung seiner Truppen 
gerade an Preußen anlehnte. Selbst die am meisten bestrittenen 
Neuerungen bei der preußischen Armee wurden in Hessen am frühe— 
sten eingeführt. Die hessischen Truppen hatten seit 1861 den 
preußischen gezogenen Sechspfünder, seit 1863 das Zündnadelgewehr, 
besaßen eine ganz ähnliche Exerzir-, Felddienst-, Schieß-, Turn- und 
Fecht-Vorschrift, ein ähnlich geartetes Avancement im Offizierkorps 
u. A. m. Unser Leibgarde-Regiment sah bis auf Kleinigkeiten dem 
preußischen 1. Garde-Regiment zu Fuß ähnlich. 
Leider verhütete diese innere und äußere Aehnlichkeit nicht die 
Gegnerschaft der hessischen Regierung Preußen gegenüber in den ent— 
scheidenden Tagen von 1866. Der für Hessen überhaupt so ver— 
hängnißvolle Mann, welcher das Land im Jahre 1850 in einen un— 
nöthigen inneren Konflikt seiner Herrschsucht zu Liebe hineingerissen 
hatte, war Schuld auch daran, daß sein Monarch, der am 20. No— 
vember 1847 zur Regierung gelangte Kurfürst Friedrich Wilhelm J. 
das ihm bei jener Gelegenheit allein entgegentretende Preußen hassen 
gelernt hatte. So stimmte Kurhessen am 14. Juni 1866 mit 
Oesterreich gegen Preußen, und der Kurfürst befahl trotz des Protestes 
seiner Stände die Mobilmachung seiner Truppen gegen Preußen am 
gleichen Tage. So lehnte der Kurfürst das Ultimatum Preußens 
vom 15. Juni ab und setzte seine Truppen nach Süden in Marsch, 
um sie mit denjenigen des 8. Bundeskorps gegen Preußen kämpfen 
zu lassen. Zum Glücke wurden sie mit Ausnahme weniger Theile 
nicht im freien Felde verwandt, sondern machten einen Theil der 
Bundesbesatzung von Mainz aus, bis der Kurfürst, welcher, jede 
Verständigung ablehnend, nach der Besetzung des Landes als Staats— 
gefangener nach Stettin geführt worden war, sie am 18. September 
hres Eides entband. 
Wir haben hier vorgegriffen, es ist noch Einiges nachzutragen. 
Kurfürst Friedrich Wilhelm J. war seinem Vater, der am 27. Fe— 
bruar 1821 als Kurfürst Wilhelm II. zur Regierung gelangte, in 
rein militärischer Beziehung sehr ähnlich gewesen, und dürften seine 
Verdienste in dieser Hinsicht nicht herabgedrückt werden. Beide 
Fürsten hatten die Armee in jeder Beziehung gepflegt und fort— 
gebildet. Die hessischen Truppen genossen noch immer und überall
	        
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