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Der Feldzug 1760.
Das Verlangen des Königs Friedrich II., Verstärkungen für
seine Operationen in Sachsen zu erhalten, war eine Folge seiner
schweren Niederlage gegen die mit der österreichischen Neben-Armee
unter Loudon vereinigte russische Armee bei Kunersdorf (12. August
1759). Der König hatte Dresden verloren, und wenn auch zum
Schlusse des Feldzuges Sachsen sonst von der österreichischen Haupt—
Armee unter Daun wieder frei geworden war, so war doch die
Schwäche der preußischen Armee nach der Gefangennahme des Korps
Finck bei Maxen (20. November) eine zu große, als daß sie nicht
Bedenken erregt hätte. Standen doch in Sachsen auch mit Ein—
cechnung der 12000 Mann des Erbprinzen von Braunschweig nur
noch 32000 Mann zur Verfügung. Erschwerend für die Lage des
dönigs wurde dazu noch der Umstand, daß König Georg II.
von England am 25. Oktober 1760 starb und sein Nachfolger
Georg III. noch sehr jung und unselbständig war. Nur mit Mühe
zelang es, die Erneuerung der Verträge herbeizuführen. Auch der
Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen starb in der Nacht zum
. Februar 1760 und damit einer der entschiedensten Anhänger des
Königs; sein Nachfolger, Friedrich II., verstand sich zwar auch
zu einer Erneuerung der Verträge mit Preußen, ja sogar zur Ver—
mehrung seiner Truppen, aber unter mehrfachen Entschädigungs⸗
bedingungen. Daß ungeachtet dieser Nothlage der Große König
aicht an seiner guten Sache verzweifelte, sondern sogar bis zum Wieder—
beginn der Feindseligkeiten für sich selbst wieder eine Armee von etwa
90 000 Mann aufzubringen wußte, zeigt seine ganze ungewöhnliche
Thatkraft und Meisterschaft. Freilich bedeutete diese Zahl wenig
gegenüber den Massen, die seine Gegner aufzustellen vermochten, und
es sollte auch der Feldzug von 1760 trotz zweier großen Siege, bei
Liegnitz am 15. August über Daun und Loudon und bei Torgau
am 3. November über Daun, noch manche schwere Stunde für den
Mann bringen, der ganz Europa gegen sich in Waffen sah.
Was die alliirte Armee des Herzogs Ferdinand anbetrifft, so
sollte der Feldzug von 1760 ohne größere Entscheidung vergehen,
obwohl die Franzosen nunmehr auch eine Armee am Niederrhein*)
unter General St. Germain (30000 Mann) aufstellten, um der
Haupt-Armee unter Broglio (über 100000 Mann) ihr Vorgehen
*) Bei Düsseldorf.