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Seume
nicht dem hessischen Landgrafen Friedrich II. den Namen des „damaligen
großen Menschenmäkler“ angehängt und behauptet hätte: „Die Geschichte
und Periode ist bekannt genug; Niemand war damals vor den Handlangern
des Seelemnverkäufers sicher; Uberredung, List, Betrug, Gewalt, alles galt.
Man fragte nicht nach den Mitteln zu dem verdammlichen Zwecke. Fremde
aller Art wurden angehalten, eingesteckt, fortgeschickt.“ Hier verwechselt
Seume zweifellos die Praxis der preußischen Werber mit der der hessischen,
die sehr strenge Verhaltungsmaßregeln von dem Landgrafen erhalten hat—
ten.ss Münchhausen in seinen ungedruckten Memoiren behauptet: „Ge—
waltsam haben die Hessen nie geworben, wer es auch sein mag. Wenigstens
ist mir auch nicht ein einzig Beispiel unter mehr als tausend Rekruten davon
bekannt geworden.“
Ob min die landgräflichen Vorschriften immer und in allen Fällen befolgt
worden sind, das sei dahingestellt. Seume hatte jedenfalls keinen Grund,
sich über die hessische Praxis zu beklagen. Er ist freiwillig und nicht ungern
nit nach Amerika gegangen; aber um sich von dem Odium zu reinigen, daß er,
der freiheitsdurstige Poet, einst gegen die amerikanischen Unabhaͤngigen ge—
zogen war, mußte er in seiner Biographie es so darstellen, als ob er dazu ge—
zwungen gewesen sei. Deshalb auch sein angeblicher (übrigens nie ausgeführ—
ter) Plan, zu den Amerikanern zu desertieren. Wenn man nun weiß, daß
Seume später (und hier zweifellos freiwillig) in russische Militärdienste ge—
treten ist und gegen die polnischen Freiheitshelden zu Felde zog, so hatte er
eigentlich wenig Grund, sich seiner hessischen Militärzeit zu schämen. Das
hat er ja auch eigentlich nicht getan, immer gern den Freund der Huronen und
zugleich den russischen Leutnant gespielt.
Seumes Biographie gehört unstreitig zu den DQuellen des Soldatenhandels,
aber zugleich auch zu den trüben Duellen, über die man schreiben soll:
Mit Vorsicht zu genießen!
2. Der Soldatenhandel in der schönen Literatur
Die schöne Literatur hat von den Subsidienverträgen erst dann Notiz ge—
nommen, als die öffentliche Meinung den Begriff des „Soldatenhandels“
schuf, und diesen dann umso nachdrücklicher bekämpft. Und zwar geschah dies
6 „Ein Oberoffizier, wenn er eine gewaltsame Werbung ... vornimt oder durch seine Be⸗
fehle veranlaßt, soll nach Befinden mit Kassation, Unteroffiziere und Gemeine aber mit un—
ausbleiblichen Leibes-Strafen belegt werden ... Die solchergestalt mit Gewalt weggenom⸗
menen Leute sollen unverzüglich ohne Entgelt wieder losgegeben werden“ ... (Äus der
stantonverfassung vom 16. Dec. 1762). Auch der Herzog von Braunschweig erließ strenge
Dekrete gegen gewaltsame Werbung. (Jahrb. d. GeschVer. f. Braunschw. 13(191) 160f))