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Seumes Anwerbung und Dienst
Das ist in beiden Fällen Unsinn; denn im Jahre 1776 drückte Geume
(geb. 1763) noch die Schulbank von Knauthain, und 1785 war er preu—
zischer Soldat in Emden. Wie er aber 1781 hessischen Werbern „in die
Hände fiel“, das ist auch ein bißchen anders, als es gewöhnlich dargestellt
wird. Nach dieser gewöhnlichen Darstellung wurde er von den hessischen
Werbern mit Gewalt gepreßt und dann nach Amerika verkauft.
Nun wollen wir dem guten Seume beileibe kein Unrecht kun. Er selber hat
das nämlich garnicht so bestimmt behauptet. Sein Biographéo sagt darüber:
„Die näheren Umstände dabei verschweigt Seume in seiner Selbstbiogra—
phie“, und fügt hinzu: „doch sind sie nicht schwer zu erraten“. Das sind sie
auch meiner Meinung nach nicht.
Man stelle sich vor: ein abenteuerlustiger Student hat das Studieren satt
und bricht heimlich von der Universität auf, um französischer Soldat zu wer—
den. Unterwegs trifft er hessische Werber, die ihm zureden, doch lieber ihr
Handgeld zu nehmen. Ich denke, es wird nicht viel Uberredung nötig gewe—
sen sein. Er ließ sich also anwerben, hat aber nie die Gründe dazu verraten.
Selbst seinem vertrauten Freund Münchhausen gegenüber „wollte er nie
recht mit der wahren Farbe heraus“ und bekannte nie, was ihn eigentlich
„von Leipzig weg und in den hessischen Rekrutenrock gebracht hatte“. Daß
er sich freiwillig anwerben ließ, hat Münchhausen nie bezweifelt. Reute
den jungen Studenten später sein Entschluß, so wäre es ihm, dem Günstling
des Reichsgrafen Hohenthal und des hessischen Generals v. Gohr, kaum
allzu schwer geworden, wieder frei zu kommen. Er sagte und schrieb aber kein
Wortkt, ging als Soldat mit nach Amerika, wurde von den hessischen Offi—
zieren verwöhnt, zum Sergeantens! befördert und hat sein Gewehr nur auf
unschuldige Tiere des Waldes abgefeuert und außerdem Fische geangelt.
Es ging ihm also im großen und ganzen recht gut in den beiden Jahren, die
er in hessischen Diensten zubrachte. Trotzdem beging er die große Dummheit,
nach der Rückkehr in Bremen zu desertieren, angeblich aus Angst, an die
Preußen verkauft zu werden, woran kein Mensch dachte. Und gerade diesen
—
30 Planer-Reißmann 22.
z1 Wenn Seume behauptet, daß ihm die Offizierslaufbahn verschlossen gewesen sei, weil
er nicht adeligen Standes war, so ist demgegenüber zu bemerken, daß die meisten hessischen
Offiziere Bürgerliche waren. Seume verwechselt wohl die hessischen mit den preußischen
Verhältnissen, die zur Folge hatten, daß Steuben, der Abkömmling hessischer Bauern, sich
sogar eine Ahnentafel von 16 adligen Ahnen fabrizieren ließ. Val. Stöbe, Gen. Steubens
Herkunft. In: Sachsen u. Anhalt 7 (1931) 441.
2 Er muß sie doch schon früher gefürchtet haben. Wenigstens ließ er auf dem Ausmarsch
sich dem kleinen Truvp einreihen, der das preußische Gebiet bei Minden umging. Val. oben
S. 37.