Full text: Soldatenhandel

—1866Kladderadatsch 
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Es kam das Jahr 1866, und daß in diesem Jahre, als es besonders darauf 
ankam, das hessische Fürstenhaus zu diskreditieren, das Schlagwort vom 
Soldatenhandel wieder ertönte, ist nur zu begreiflich. Einer der ersten Agi— 
katoren für die Annexion bezeichnete sich ausdrücklich als ein ,„Enkel der nach 
Amerika Verkauften“. Das Kasseler Hoftheater nahm „Kabale und Liebe“ 
in sein Repertoire auf, das bisher daraus verbannt gewesen war, um nicht 
die Erinnerung an den Soldatenhandel zu wecken. Jetzt aber wurde diese 
Erinnerung geflissentlich neu belebt. Zur Feier der Kasseler Industrie— 
Ausstellung verbreiteten die Gelehrten des Berliner Kladderadatsches einen 
Führer durch Kassel, der für das Denkmal des Landgrafen Friedrichs fol— 
zende schönen Verse empfahl: 
Dies Denkmal hat zur Lebenszeit 
Sich selbst ein deutscher Fürst geweiht, 
Der als Mäzen und Menschenschinder 
An 20000 Hessenkinder 
Verkauft in Englands schnöden Sold usw. 
Es ist kaum anzunehmen, daß die Herren Dohm und Loewenstein von dem 
Menschenschinder mehr gewußt haben, als daß er Soldaten verkauft und 
mehr als hundert uneheliche Kinderss gehabt habe, wie in Kapps Buch zu 
lesen steht. 
Seitdem steht das öffentliche Urteil über den Soldatenhandel fest, und alle 
geschickten und ungeschickten Versuche von hessischer Seite, dies Urteil zu 
korrigieren, bezw. es auf alle an den Subsidiewerträgen beteiligten deutsche 
Stämme auszudehnen, sind fehlgeschlagen. 
Wir haben die Geschichte dieses Urteils durch die verflossenen Zeiten ver— 
folgt und stehen nun vor der Frage: wie soll man denn eigenktlich jetzt den 
Soldatenhandel beurteilen? Die Antwort kann nur eine strenge Verurtei— 
lung sein. Wer wie wir den Standpunkt vertrikt, daß die Soldaten nur zur 
Verteidigung des eigenen Vaterlandes die Waffen ergreifen sollen, der 
muß in den Truppewersoldungen des 18. Jahrhunderts nur ein schweres 
Unrecht erblicken und sie rücksichtslos verurteilen. Aber diese Ansicht ist, wie 
wir gesehen haben, keineswegs uralt, ja sie wird noch heute keineswegs über— 
all konsequent vertreten. Was heißt denn „zur Verteidigung des Vater— 
landes“? Im Jahre 1859 gab man die Parole aus, den Rhein am Po zu 
verteidigen. Kurz vorher waren französische, englische und italienische Sol— 
s Schade, daß man über diese unehelichen Kinder so garnichts weiß. Knetsch, der Gene— 
aloge des Hauses Brabant, der gewissenhaft auch alle irgendwie ergreifbaren Seiten— 
sprossen der hessischen Fürsten verzeichnet, hat nicht ein einziges unehel. Kind Friedrichs II. 
nachgewiesen. 
Losch
	        
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