Full text: Sammelband

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natürlich die Heilungsaussichten, wenn bei einem Schuß durch un— 
elastisches Gewebe die getrennten Teile in naher Berührung bleiben; 
das zertrümmerte Gewebe wird entfernt, und nach der Säuberung 
und Ausfüllung mit Faserstoff verkleben die Teile und vereinigen 
sich endgültig. Wenn aber die Teile einer Sehne weit auseinander— 
klaffen? Dann ist Heilung nur dadurch möglich, daß zunächst die 
trennende Kluft überbrückt wird. Auch das bringt der Sellenstaat 
aus sich heraus fertig. Gerade die Heilung einer Sehne ist ein 
interessantes Schauspiel: Es lagert sich zwischen den Enden 
geronnenes Blut, junges Bindegewebe durchwächst die Brücke, 
macht daraus einen derben Strang, und von dem Sehnen⸗ 
stumpf schiebt sich festes Sehnengewebe in langen Fasern in 
den vorläufigen Strang hinein. Zum Schluß zieht sich das junge 
Sehnengewebe mit festem Narbenzug zufammen und verkürzt sich, 
so daß endlich die Enden, Sehne mit Sehne, vereinigt sind. Das ist 
zwar nicht eine völlige Wiederherstellung wie ursprünglich; aber die 
Sehne, das Zugband des Muskels, kann dem Muskel auch in unwoll⸗ 
kommener Gestalt wieder als Seil dienen, und das ist der Punkt, 
auf den es schließlich ankommt. Durchschossene Nerven können in 
anderer wunderbarer Weise zur heilung kommen. Infolge der Ver— 
letzung sterben zunächst beiderseits weite Strecken der Enden ab. 
Dann sprossen von dem dem Rückenmark zu gelegenen Stumpf her 
neue, zarte Nervenfäserchen aus und suchen das andere Ende und 
wachsen hinein und benutzen es als Leitung, durch die hindurch sie 
weiter ziehen zum Muskel. So wird ein ganz neuer Nerv gebildet, 
der die Befehle des Gehirns zum Muskel überträgt und wieder er— 
möglicht, das Wollen in Handeln umzusetzen. 
So etwas kommt vor, kommt oft vor, aber in vielen Fällen 
bleibt die Vereinigung von Sehne oder Nerv aus, etwa weil der 
unruhige Kranke durch Bewegung des Beines die zarte, feine Brücke 
immer wieder zerriß, oder weil ein Muskel sich zwischen die Enden 
schob, oder weil eine derbe, schwielige Narbe der anderen verletzten 
Gewebe den zarten Nervenfäserchen den üÜübertritt unmöglich machte. 
In besonders hervorragender Weise betätigt sich die Heilkraft 
des Organismus an den Knochenverletzungen, die in ungeheurer 
Zahl zu beobachten sind. Sind doch die Rnochen unser harter Kern, 
der Kumpf und Gliedmaßen versteift, für den die Weichteile gewisser— 
maßen nur Umkleidungen sind. So ist es kaum möglich, den Körper
	        
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