Full text: Sammelband

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Was ist denn eigentlich geschehen? Blitzschnell entstand eine 
lange, röhrenförmige Wunde quer durch den Arm hindurch. Machen 
wir uns die Entstehung dieser Verwundung klar! Mit der uner— 
hörten Geschwindigkeit von etwa 800 mmin der Sekunde, getrieben 
bon der Gewalt der entzündeten Pulverladung, verließ das glatte 
Geschoß das Gewehr. Die Züge des Laufs gaben ihm beim Durchpressen 
eine rasende Umdrehung mit auf den Weg. Wie ein Kreisel schraubt es 
sich durch die Luft hinein in das „Siel“. Die mit besonderer Absicht im 
Drall erzeugte Drehung soll ein überschlagen in der Luft verhüten. Sie 
hält das Geschoß in der Kichtung und erhöht die Treffsicherheit. Ein 
solcher, durch Pulverwirkung vorgetriebener, in der Luft schwirren— 
der Kreisel erlangt durch seine ungeheure Geschwindigkeit eine solche 
Wucht, daß er auf 150 m noch einen 80 em dicken Tannenholzklotz 
durchschlägt. Sein „Ziel“ ist der Leib des Feindes, der stolze Bau 
eines Sellenstaates. Jetzt hat's ihn erreicht, saust mit Wucht hinein, 
hindurch, hinaus und weiter, kaum aufgehalten von dem matten 
hindernis der Weichteile. Das vordere Ende bohrt sich mit rasender 
Umoͤrehung blitzschnell durch die Haut. Das kleine Hautloch weitet 
sich im Nu, läßt das durchjagende bleistiftdicke Geschoß durch und 
schließt sich sofort wieder hinter ihm. Infolge der rohen, plötz— 
lichen Dehnung ist die Haut abgestorben; die tote Hautscheibe ver— 
schließt den Cinschuß und trocknet ein zu einem luftdicht absperrenden 
Tederdeckel. Was auf dem ganzen Weg des rasenden Geschosses lag, 
ist durchbohrt, zerschnitten, zertrümmert. Beim Austritt dehnte und 
schloß sich die Haut in gleicher Weise wie beim Einschuß, nur meistens 
in etwas größerem Umfange. Ein winziges Tröpfchen Blut quillt 
aus den hautwunden. Kaum mertkt der Krieger die Verletzung. Nur 
einen dumpfen Stoß meinte er an der Stelle gespürt zu haben, wo 
das Geschoß den Körper verließ. 
Das ist das Unheil, das das Geschoß auf seinem Fluge durch die 
weichen Teile anrichtete. Aber wenn man in nüchterner Kuhe das 
Bild der Zerstörung genauer betrachtet, erscheint die Aufgabe, die 
der Körper lösen soll, viel größer. Gewiß blutet es nicht aus den 
Wunden, weil sich die Schußöffnungen sofort wieder schlossen. Aber 
im Innern blutet es. Die Muskeln, das rote, weiche Fleisch sind 
ein reichlich mit Blut versorgtes, von Blutwasser durchfeuch— 
tetes Gewebe und bluten, wenn sie zerschossen sind, unaufhörlich, 
langsam und stetig, Tropfen um Tropfen. Immer mehr Blut sickert
	        
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