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Es hat nicht an verschiedenartiger Beurteilung dieser Frage ge—
fehlt. Völliges Verneinen und zu weitgehende Betonung der Sug⸗
gestionswirkungen auf diesem Gebiete haben wir bei dieser Dis—
kussion erlebt. heute sind wir aber durch die Arbeiten einer Keihe
von exsten Fachleuten, wie Forel, v. Lilienthal, v. Schrenck⸗Notzing
und Moll, zu einer einheitlicheren Auffassung gekommen. Diese
soll im folgenden kurz geschildert werden.
Zunächst müssen wir die Frage genau umreißen. Sie ist etwa
so zu stellen: „Kann durch Suggestionswirkungen die
freie willensbestimmung im Sinne des 851 des Deut—
schenStrafgesetzbuches)aufgehoben werden, d. h. kann
der Betreffende, der unter Suggestionswirkung stand,
dadurch so weit beeinflußt werden, daß er nicht mehr
für seine Handlung verantwortlich zu machen ist?“
Diese Frage beantworten wir zuerst für die Wachsuggestion, für
die Suggestion ohne Hypnose. Die Beobachtung des täglichen Lebens
zeigt, daß viele Menschen bewußt oder unbewußt den Einflüssen
ihrer Umgebung widerstandslos erliegen. Besonders bei Schwach⸗
sinnigen und ungefestigten Charakteren sehen wir dieses Fehlen
von Energie und eigenem Willen. Vommen solche Menschen unter
den Cinfluß von Leuten, die sie zielbewußt für unlautere Zwecke
mißbrauchen, so können sich unter Umständen diese Einflüsse so an⸗
häufen, daß diese Personen ihren Beherrschern gegenüber in völlige
Abhängigkeit verfallen und zu deren Werkzeug herabsinken. Es
können hier auch noch erotische Einflüsse sich geltend machen. Wir
denken an den Zustand sexueller hörigkeit, in dem der Sklave seiner
Liebe auch alles von ihm Geforderte ausführt. Naturgemäß wird
er sich unter suggestiver Cinwirkung leicht zu verbrecherischen hand⸗
lungen hinreißen lassen. Im ganzen muß zugegeben werden, daß
unter besonderen Umständen durch Suggestionswirkungen jemand
zu einer strafbaren handlung gebracht werden kann, für die er des⸗
halb nicht verantwortlich zu machen ist, weil er unter einem un⸗
widerstehlichen Z3wange gehandelt hat. Daß im praktischen Leben
die Feststellung einer solchen Sachlage auf die größten Schwierig—
*8 51 des Deesoge ——— lautet: Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden,
wenn der Täter zur Zeit der Begehung der handlung sich in einem Zustande von Bewußt⸗
losigkeit oder krankhafter Störung der Geiltestätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens⸗
bestimmung ausgeschlossen war.