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den Betreffenden, so erweisen sich diese stärker als die Fremdsug⸗
gestion. Ist aber eine gewisse Zuneigung vorhanden, so sind geschickt
gegebene Suggestionen mit oder auch ohne Hypnose zweifellos in
der Lage, daraus in gewissen Fällen eine unwiderstehliche Liebe
zu machen. Ein schlagendes Beispiel hierfür bietet der bekannte
Sall des Schwindlers Csynski, der seinerzeit (894) die Gerichte be—
schäftigt hat und großes Aufsehen hervorrief.
Im allgemeinen wird heute die Rolle, welche die Suggestion bei
der Bestimmung der Triebrichtung, bei der Entstehung einer ganzen
Reihe von nicht angeborenen Widernatürlichkeiten spielt, gewaltig
unterschätzt. Sie sind nicht, wie auch heute noch vielfach angenommen
wird, eine einfache Folge von Ausschweifungen, sondern sie ent—
stehen durch mächtige Suggestionen und Autosuggestionen aus ge⸗
wissen Erlebnissen heraus. Die suggestive Beeinflussung geht meist
ganz unbeabsichtigt von Personen oder Gegenständen oder über—
haupt allgemein von der Situation aus, und sie kann zu einer festen
Verankerung einer besonderen Triebrichtung führen. Meist liegt
die Sache so, daß ein aufrüttelndes Erlebnis, das die sexuellen Lust—
gefühle in einer bis dahin nicht gekannten Stärke auslöst, solche
Spuren hinterläßt. Wird beispielsweise ein Mann von einem lei—
denschaftlichen Weibe durch sadistische oder masochistische Manipula⸗
tionen sexuell auf das stärkste orregt, so kann das zu einer dauern—
den Sestlegung der Begleitumstände in seiner Seele führen, so daß
für den späteren Ablauf der sexuellen Erregung diese Begleit—
umstände — in unserem Beispiele die sadistischen oder masochisti⸗
schen handlungen — eine conditio sine qua non werden. Das sugge⸗
rierende Element ist hier das starke persönliche Erleben. Besonders
hysterische und sehr suggestible Menschen werden das oft zeigen.
So läßt sich die Entstehung vieler erworbener Perversionen: des
sadistischen, masochistischen und fetischistischen Empfindens rekonstru⸗
ieren. Selbst gewisse Formen der erworbenen konträren sexuellen
Drientierung entstehen auf diese Weise. Wir brauchen nicht beson—
ders zu betonen, daß mit der Aufdeckung der Entstehungsweise wich⸗
tige Hhinweise für die Heilung dieser erworbenen krankhaften Rich—
tungen der sexuellen Psyche gewonnen sind. Diese ganzen Fragen
sind ein äußerst interessantes Kapitel der Sexualwissenschaft, das
noch eingehender Bearbeitung bedarf.