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gestive Wirkungen, dann aber entfaltet die Suggestion im Sexual⸗
leben noch besondere Kraft dadurch, daß eine große Sahl geschlecht⸗
licher Widernatürlichkeiten direkt durch mächtige suggestive Beein⸗
flussung entstehen kann. Das Fesselndste von diesen Suggestions—
wirkungen sei im folgenden zusammengestellt.
Welche suggestiven Ausstrahlungen zeigt zunächst der bekannte
Zustand des Verliebtseins? Um hier klar zu sehen, müssen wir uns
die Frage beantworten: „Was ist die Liebe?“ In diesem Begriff
wollen wir die Summe der verschiedenartigen Gefühle zusammen—
fassen, die sich aus den sexuellen Beziehungen von Mann und Weib
ergeben. Ihrem Wesen nach ist die Liebe ein verwickelter Trieb⸗
und Gefühlskomplex, dessen einzelne Bestandteile ein unentwirr⸗
bares Unäuel bilden. Weltanschauungsfragen und persönliche Ver—
anlagung haben dazu verleitet, den einen oder andern Bestanoͤteil
in den Vordergrund zu schieben und zur hauptsache zu stempeln.
Man stellte den Geschlechtstrieb in einen krassen Gegensatz zur
höheren individualisierten Liebe, die man vom Triebleben loszu⸗
lösen sich mühte. Demgegenüber muß mit aller Schärfe betont wer⸗
den, daß die Liebe eine innige Vermischung von körperlichen Emp⸗
findungen mit Gedanken und Gefühlen ist. Die Liebe des heutigen
Uulturmenschen hat sich aus einer Durchdringung des Geschlechts—
triebes mit geistigem Inhalt entwickelt, sie ist, wie man gesagt hat,
vergeistigter Geschlechtstrieb. So sehr nun aber auch die moderne
Liebe zu einer starken Betonung und Differenzierung der höheren
Sympathiegefühle geführt hat, die Trennung von ihrer körperlichen
Wurzel verträgt sie nicht und wird sie nie vertragen. „Platonische
Liebe“ ist ein Wahngebilde, entsprungen aus dem hirn müder, neu—
rasthenischer Dekadenten. Das muß hervorgehoben werden, wenn
wir die Liebe, wie sie uns als Zustand im Leben begegnet, richtig
erfassen wollen. Was den ersten Anstoß zur Erregung dieses fein—
gegliederten Gefühlskomplexes gibt, bleibt meist in Dunkel gehüllt.
Mag ein körperliches Gefallen, der RKeiz von Schönheit und Anmut
den ersten Anstoß geben, oder mögen Geist, Charme und höchste
Sympathiegefühle als auslösendes Moment in Frage kommen,
immer haben diese Dinge nur einen relativen Wert. Denn für den
einen bedeutet das den höchsten Reiz, was den andern vollständig
gleichgültig läßt. Ist der Stein aber einmal ins Rollen gekommen,