Full text: Sammelband

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gehoben. Die suggestiven Gewalten gehen meist von hervorragen⸗ 
den Persönlichkeiten aus, aber auch bestechende Ideen allein können, 
wenn der Boden für sie genügend vorbereitet ist, zu suggestiver 
Massenwirkung führen. Ja, man kann sagen, wohl keines der 
großen weltgeschichtlichen Ereignisse hat solcher faszinierenden 
Massenwirkung als treibender Kraft entbehrt. Suggestoren großen 
Stils, denen die Massen willenlos erlagen, waren Napoleon IL., Bis- 
marck, Savonarola, Robespierre, Jeanne d'Arc und Mohammed. 
Wie einem magischen 3wang erlag die Menge dem Einfluß solcher 
Personen, und blind war der Glaube des Volkes an ihren Genius. 
Wie oft gelang es einem Napoleon, den sinkenden Mut seiner 
Truppen durch wenige Worte neu zu beleben und sie zu Taten von 
unerhörter Tapferkeit zu begeistern! Ein Wink des geliebten heer— 
führers genügte, um ganze Regimenter mit Begeisterung in den 
sicheren Tod stürmen zu lassen. Nur das Gesetz von der psychischen 
Massenwirkung eröffnet uns das Verständnis dafür, daß es einer 
einzelnen Persönlichkeit, sei es nun als Feldherr oder Staatsmann, 
möglich ist, die Masse zu einer Einheit und zu einem Sweck zu— 
sammenzuschweißen und sie zu Taten hinzureißen, die der Mensch— 
heitsgeschichte eine andere Wendung zu geben vermögen. Anderer⸗ 
seits hat fast jedes Jahrhundert sein besonderes Ideal gehabt, das 
in einem Schlagwort zusammengefaßt, unheimliche Kraft entfaltete. 
Die Zeit der Kreuzzüge stellte als solche Forderung „Befreiung des 
heiligen Grabes“. Unter dieser Parole zogen ungezählte Scharen 
aus, und gekrönt wurde das Ganze durch den Wahnsinn des Kin— 
derkreuzzuges, der über 30 000 Kinder dem sicheren Verderben ent— 
gegenführte. Das 16. Jahrhundert beschwor unter der Sorderung 
der Erhaltung des rechten Glaubens den hexenwahn herauf, und 
dieses suggestive Gift peitschte die grausamen Instinkte der Masse 
zu fanatischer Verfolgung der Mitmenschen auf, vor deren Scheuß— 
lichkeiten wir heute Grauen empfinden. Für die Seit der Französi— 
schen Revolution war das Wort von der „Freiheit, Gleichheit und 
Brüderlichkeit“ der Menschen das Rauschmittel, das alle Gemüter 
in Europa zur Siedehitze brachte und das die Bahn frei machte für 
eine neue Zeit. Die Tage der Kriegserklärung von 1914 bieten ein 
Schulbeispiel für solche Massensuggestionierung. In allen Ländern 
wurden ganze Volksschichten von einem Erregungszustand ergriffen,
	        
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