Full text: Sammelband

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hat zu der überraschenden Erkenntnis geführt, daß die große Mehr— 
zahl der sog. „freien“ Menschen den suggestiven Einflüssen ihrer 
Umgebung widerstandslos unterliegt. Die Suggestion wirkt nicht 
auf den einzelnen allein, sondern sie entfaltet ihre Kraft auch ganzen 
Volksschichten gegenüber. Sie kann gleichsam eine geistige Infek— 
tion bedingen, und diese seelische Ansteckung vermag oft tiefgrei— 
fendere Umwälzungen hervorzubringen als körperliche Krankheits— 
erreger. Diese Massensuggest ion ist von größter sozialer Be— 
deutung, und man kann sagen, daß sie ein bewegender Faktor des 
Menschengeschickes ist, dem an Massenwirkung nicht viel Gleich— 
wertiges an die Seite zu stellen ist. Die Suggestion beherrscht und 
lenkt die Masse in viel gröäßerem Maße, als dies gesunde Logik und 
ruhiges Überzeugen zu tun vermögen. Mit hilfe der Suggestions— 
lehre haben wir das Gesetz der psychischen Massenwirkung erkannt. 
Zum Verständnis dieser Erscheinungen ist von Bedeutung, daß 
wir uns die unwillkürlichen gegenseitigen Beeinflussungen ins Ge— 
dächtnis zurückrufen, die wir täglich beobachten können. Wir er— 
innern an die Nachahmung, die das Gähnen meist findet, an den 
Sstimmungsumschwung, den ein einzelner bei einer ganzen Gesell— 
schaft oft fast augenblicklich hervorrufen kann. Ein paar Neugierige 
an einer Straßenecke ziehen unweigerlich weitere an. Dafür ist das 
Folgende charakteristisch. Der Frankfurter Generalanzeiger brachte 
am 18. März 1921 folgende Notiz: „Am Goetheplatz stand gestern 
abend eine große Menschenschar, die neugierig nach dem himmel 
blickte. Ciner wies mit dem Finger in die Hhöhe, wo in fabelhafter 
Entfernung — ein Sternlein blinkte. „Sehen Sie da oben den 
Stern mit dem Schweif?“ rief der Deuter. Und man starrte hinauf, 
stumm, starr, sprachlos. „Aber der Schweif ist ja nicht zu sehen,“ 
meint schließlich ein Vorwitziger. „Ja, der steckt hinter dem Stern,“ 
lautete die salomonische Auskunft, und alles lachte, grinste und 
freute sich, daß man wieder einmal hereingefallen war.“ Das Ex— 
periment dieses Spaßvogels ließ sicher eine Reihe der empfänglichsten 
Zuschauer schon den geschilderten Kometenschweif sehen. Sehr schön 
beschreibt B. Sydis eine besondere Art der Massensuggestion. „Auf 
der Straße, auf dem Trottoir an einem großen platz bleibt ein 
händler stehen und gibt einen ganzen Strom von Geschwätz von 
sich, schmeichelt dem Publikum und preist seine Ware an. Die Vor— 
übergehenden sind neugierig geworden, sie bleiben stehen. Alsbald
	        
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