— 69 —
Ansteckung mit Tuberkulose bereits im Kindesalter stattfinde, sei es
auf dem Wege der Tröpfchen- oder dem der Stäubcheninfektion,
daß der Schwindsuchtskeim jahre-, unter Umständen jahrzehntelang
schlummert, um dann plötzlich die verhängnisvollen Erscheinungen
hervorzurufen; doch steht der Beweis für diese Ansicht noch aus.
Die Ansteckung durch tuberkelbazillenhaltigen Staub kann sich aber
hei Kindern noch in einer anderen Weise äußern. Sauberkeit ist ihnen
gewöhnlich nur schwer beizubringen; solange sie auf dem Boden
herumkriechen oder dort spielen, wird es kaum ausbleiben, daß sie
sich mit ihren schmutzigen händen das Gesicht besudeln. Kleine Kisse,
wie sie am Naseneingang und an andern Leilen nicht selten sind,
können dann leicht die Eingangspforte für die im Schmutz enthal⸗
tenen Tuberkelbazillen bilden. Die Folge davon ist, daß hautaus⸗
schläge entstehen, daß die Drüsen am halse, besonders unterhalb der
Ohren, anschwellen, daß das Gesicht ein gedunsenes Hussehen er—
hält; unter dem Namen Skrofulose gehört dieses Krankheitsbild zu
den uns geläufigen. Die Skrofulose ist nichts anderes als eine auf
haut und Drüsen beschränkte Tuberkulose, deren Verlauf zum Unter—
schiede von dem der Lungentuberkulose zum Glück günstig ist. Vor
allem sind Kinder aus dunklen, feuchten Wohnungen für die Skrofu—
lose empfänglich.
wWir haben gesehen, daß bei der Übertragung der Tuberkulose
die Wohnung die Kolle der Vermittlerin übernehmen kann. Aber
da die Krankheit nie von selbst in einer Wohnung entstehen kann,
dürfen wir sie nicht als eigentliche Wohnungskrankheit bezeichnen.
Wohnungsverhältnisse vermögen den Körper für die Knsteckung emp—
fänglich zu machen, sind aber schwerlich allein ausschlaggebend. Wer
in guten äußeren Verhältnissen lebt, wird in der Regel keine unge—
sunde Wohnung haben, und wer wenig Geld hat, muß eben mit einer
billigen Wohnung vorliebnehmen. Billig ist aber bei der Wohnung
bielfach gleichbedeutend mit unhygienisch. Zugleich werden dann oft
auch die Mittel zu genügender Ernährung fehlen. Dazu sind die
gleichen Personen oft genug auch den Anstrengungen schwerer Berufe,
zorgen jeder Art unterworfen und unterliegen nicht selten Lastern,
wie dem Alkoholismus, der ebenfalls die Widerstandskraft des Kör—
pers erheblich herabzusetzen imstande ist. So dürfen wir streng ge⸗
nommen die ungenügende Wohnung nur als einen die Tuberkulose
begünstigenden Umstand ansehen.