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jährigen Töchterchen. Da der Vater den ganzen Tag über auf Arbeit
ist und die Mutter eine Aufwartestelle versieht, ist das Kind während
oieler Stunden sich selbst überlassen. Es weiß sich auch gut zu be—
schäftigen; mit Vorliebe spielt es auf dem Fußboden und in den
Ecken. Etwa sechs Wochen nach dem CEinzuge beginnt das Maochen zu
husten. Die Eltern achten zuerst wenig darauf, werden aber stutzig,
als das Husten nicht nur anhält, sondern das Kind nach einigen wei⸗
teren Wochen auch sein blühendes Aussehen verliert, die Nahrung
zurückweist und nicht mehr gedeiht. Der Arzt stellt eine Cungen⸗
tuberkulose fest. Es ergab sich, daß unmittelbar vor dem Einzuge
der frühere Bewohner an Lungentuberkulose verstorben war. Be—
weisen ließ es sich naturgemäß nicht mehr, ob der frühere Bewohner
wirklich die Wohnung verseucht hatte; der Gedanke an einen Zu—
sammenhang ließ sich aber nicht von der hand weisen. In früheren
zeiten scheute sich der Schwindsüchtige oft nicht, den Boden mit seinem
Auswurf zu verunreinigen und dadurch den Staub zu verseuchen;
diese menschenunwürdige Unsitte kommt heutzutage glücklicherweise
seltener zur Beobachtung. Aber auch das harmlose Taschentuch
kann Schaden anrichten. Es wird gern dazu benutzt, den Auswurf
aufzunehmen. Dieser trocknet an. Wird das Taschentuch nun wieder
einmal zur Benutzung entfaltet, so bröckeln die harten Krusten ab und
fallen auf den Boden. Sie bleiben leicht in den Dielenfugen liegen,
wo sie vollends zu Staub verpulvern. Dieser enthält aber Tuberkel⸗
bazillen, die, vor Licht geschützt, wie wir wissen, auch in angetrock⸗
netem Zustande monatelang lebensfähig bleiben können. Wird der
staub aufgewirbelt, was ja nicht ausbleibt, so teilt er sich der Luft
mit und kann eingeatmet werden. Der Gefahr, solchen Staub einzu⸗
atmen, ist aber in besonderem Maße ein kleines Kind ausgesetzt, das
an Orte kriecht, die der Aufmerksamkeit der Erwachsenen und auch
dem Keinlichkeitsbedürfnisse der Hausfrau völlig entgehen; und so
haben wir uns hier den Gang der Ansteckung vorzustellen.
Auch die Fliegen können dazu beitragen, den Staub zu ver⸗
seuchen, wenn sie Gelegenheit gehabt haben, mit tuberkulösem Aus⸗
wurf in Berührung zu kommen. Offene Spucknäpfe bilden für sie
immer einen Anziehungspunkt. Entweder mischen sich die an ihren
züßen haftenden und beim Trocknen abfallenden Keime dem Staube
hei, oder die Kadaver der Fliegen werden selbst zu Staub.
Viele Sorscher stehen auf dem Standpunkte, daß überhaupt jede